Zwei Kulturen, eine Familie

3 min lesen

Journalistin und Korrespondentin Natalie Amiri und ihr Vater Roohollah über Teheran, Teppiche und Töchter, die man nicht lobt

FOTOS: Michela Morosini

Natalie Amiri, 45

Das Lustige ist, dass meine fränkische Mutter in mir das Persische weckte und mein persischer Vater in mir die Deutsche sieht. Er hat nur Deutsch mit mir gesprochen. Sie lehrte uns Kinder persische Gedichte, kochte immer persisch. Und ist sogar mit mir und meiner Schwester nach Iran gefahren, in den 80ern, als dort der schlimme Iran-Irak-Krieg war. Mein Vater konnte nicht einreisen, aus Sorge, in die Armee eingezogen zu werden. Ich hab ihn mal gefragt: „Wie konntest du eine blonde Frau mit zwei blonden Mädchen nach Iran lassen, während da Bomben fielen?“ Er sagte: „Ich war mir sicher, dass meine Familie gut auf euch aufpasst.“ Das erste Mal, dass meine Mutter jemand in den Arm genommen hat, war übrigens in der Familie meines Vaters.

Natalie Amiri und ihr Vater Roohollah, der lange ein Teppichgeschäft in München führte.

Seine Devise war immer: höher, weiter, schneller. Gleichzeitig gehört es zur per- sischen Erziehung, Töchter nicht zu loben, damit die nicht eingebildet werden. Das führt dazu, dass die Töchter sehr viel rennen, um Bestätigung zu bekommen. Aber so schlecht war das auch nicht. Und warum sollte ich jetzt meinem Vater, der fast 83 ist, nur bis zur sechsten Klasse zur Schule konnte und uns doch so ein schönes Leben ermöglicht hat, Vorwürfe machen. Ich habe ihn gefragt, ob er bereut, nicht mehr Zeit mit uns als Kindern verbracht zu haben. Er sagte: Nein. Er hat echt gerne gearbeitet, hat als Teppichhändler in der Münchner Innenstadt sehr gut verdient, ich hüpfte dort immer von Teppich zu Teppich. Unser Haus stand allen offen, während ich bei deutschen Freunden heimmusste, wenn es Abendessen gab. Ich hatte nie das Gefühl, diskriminiert zu werden, frage mich aber seit Kurzem, ob mein rastloses Arbeiten daher kommt, dass ich mir Anerkennung der deutschen Gesellschaft erkämpfen möchte. Nach Iran kann ich derzeit nicht reisen, es gibt eine Warnung vom Auswärtigen Amt, dass ich als politische Geisel genommen werden soll. Weil ich eine laute Stimme gegen das Regime bin. Wenn meine Sehnsucht nach Iran zu groß wird, höre ich den Radiosender Radio Free Europe/ Radio Liberty auf Farsi, esse dazu dieselben Kekse, die ich immer im ARD-Büro in Teheran aß, und trinke Schwarztee.

Natalie Amiri studierte in Bamberg, Teheran und Damaskus.

Biografien

Natalie Amiri

wurde 1978 in München geboren. Sie studierte Diplom-Orientalistik und Islamwissenschaft. Nach ihrem Abschluss arbeitete sie in Teheran für die deutsche Botschaft, dann für das ARD-Büro, das sie auch leitete. Seit zehn Jahren moderiert sie u.a

Dieser Artikel ist erschienen in...

Ähnliche Artikel

Ähnliche Artikel