Einmal fühlen wie Jimmy

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REPORTAGE FAHRERLEHRGANG IM MONOPOSTO

Viele träumen davon, mal selbst hinterm Steuer eines Rennwagens zu sitzen. Unser Autor Sven Wedemeyer hatte da konkretere Vorstellungen: Ein Formel-Wagen musste es sein, im Stil von Jim Clark! Eine historisch korrekte Traum-Erfüllung im Selbstversuch.

Lange hatte ich wenig Hoffnung. Es schien, als sei der Wunsch, als Normalsterblicher hinters Lenkrad eines reinrassigen Formel-Renners aus den 1960ern zu kommen, so wahrscheinlich wie meine Wahl zum Papst. Also eher unwahrscheinlich. Auf das göttliche Amt im Vatikan kann ich verzichten – ist ja bekanntlich nur die Rolle eines Stellvertreters. Auf das Erlebnis, einen beängstigend filigranen Monoposto mit allen Sinnen zu spüren, wie er ohne Zutun moderner Aerodynamik und im sponsorenfreien Lack-Kleid am Limit über eine kurvige Strecke tänzelt, allerdings nicht. Denn meine für Nostalgie so empfängliche Seele sieht in diesem Bild die Klimax rennsportlicher Ästhetik, technischer Raffinesse und – nicht zuletzt – auch fahrerischer Höchstleistung.

Auf den Spuren der Geschichte

Es war daher ein äußerst erhellender Moment, als ich von der Existenz der Classic Racing School erfuhr. Denn dort, im Herzen Frankreichs, können Menschen wie du und ich in verschiedenen Fahrerlehrgängen der Formel-Faszination auf den Grund gehen. Das Angebot ist weltweit einmalig. Denn nur in Clermont-Ferrand bietet sich die Chance einer Zeitreise in die Sixties. Die Buchung eines Termins war damit Formsache.

Der Circuit de Charade begrüßt mich mit Regen. Ehrfürchtig betrete ich am frü- hen Morgen die Box. Nicht nur der nasse Asphalt verlangt Demut, sondern auch die traumhafte Landschaft. Am Rand eines erloschenen Vulkans gelegen, fügt sich die Piste symbiotisch in die Topografie der Auvergne. Dramatische Blicke ins Tal, unsichtbare Scheitelpunkte, lange Gefälle und steile Rampen. Jim Clark – der schottische, teuflisch schnelle Gentleman – gewann hier 1965 den Auftakt-Grand-Prix. Ich spreche ungern von Vorbildern. Doch Clark, den gute Freunde schlicht „Jimmy“ nannten, ist ein Idol. Ich bilde mir ein, wir hätten uns gut verstanden.

Der Morgen startet vielversprechend. Kleines Frühstück in der Box, danach in den Overall

Mit den großen Rennen an der Charade war es allerdings schneller vorbei, als man „C’est la vie“ sagen kann. Tödliche Unfälle führten zum baldigen Ende für Formel 1 und Motorrad-WM. Die Strecke wurde massiv umgebaut, behielt aber stets ihren Charme als „französische Nordschleife“. Beladen mit dem Wissen um diese Historie sehe ich nun acht identische Rennwagen vor mir. Mein gelber Crosslé 90F entspricht dem Baumuster von 1969. Er wirkt zierlich. Der Überrollbügel liegt auf Hüfthöhe. Reifen in der Dimension 5,25 x 13 Zoll haben etwas Spielerisches. Jeder Polo hat dickere Schlappen. Doch