Heile-Welt-Express

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Stramme 90 PS, so viel wie in einem Porsche 912, Spitze 165 km/h, so schnell wie ein BMW 1800. Der erste 1900er-Rekord streifte das Korsett des Kleinbürgertums ab und stand über einer Diesel-Heckflosse.

TEXT Alf Cremers FOTOS Karl-Heinz Augustin

OPEL REKORD 1900 L, TYP B Eckdaten: Vierzylindermotor, CIH, 1897 cm3, 90 PS, 1075 kg, 165 km/h, 1965 bis 1966
Preis: 10 900 Euro (guter Zustand)
Charakter: Komfortabler Wagen in modischer Trapezform. Zwittertyp mit kräftigem Vierzylinder, Fahrwerk und Karosserie vom Vorgänger

Auf dem tresorartig massiven Handschuhkastendeckel, der mit sattem Klang einrastet, steht immer noch „Olympia Rekord“, eingeprägt in eine schmuckvolle Zierleiste. Es dauerte lange, bis sich die Adam Opel AG von dem antiken Mythos Olympia quasi auf Raten trennte.

Ich schweife ab, Auslöser war nur das neugierige Öffnen des Handschuhfachs. Längst hatte ich im tundragrünen Opel Rekord B 1900 L Platz genommen, der einst DFB-Weltmeistertrainer Sepp Herberger gehörte. Und es mir gemütlich gemacht. Doch nicht das Wunder von Bern wird später mitfahren, sondern die Geborgenheit meiner Kindheit. Darum nenne ich den Rekord B schon jetzt meinen Heile-Welt-Express. Noch lasse ich den repräsentativen Viertürer „trocken“ auf mich wirken, meine Gedanken verlieren sich in der Vergangenheit, weit vor dem Debüt 1965.

Ich bin der Ahnenreihe des Opel Rekord auf der Spur, und dazu gehören nun einmal die Anfänge in den 30er-Jahren. Der Olympia von damals, vorgestellt in der Euphorie um die Olympischen Spiele 1936 in Berlin, war tatsächlich rekordverdächtig, wegen seiner innovativen selbsttragenden Stahlblechkarosserie und dem modern konstruierten 1,5-Liter-Vierzylinder mit hängenden Ventilen und Stirnradantrieb. Die Leistung betrug 37 PS. Seine Produktionszahlen bis 1940 waren beeindruckend, Opel war der mit Abstand größte Automobilhersteller Deutschlands.

Das Rätsel des Olympia Rekord

Der Motor folgte ebenso wie die leichte, rationell zu fertigende Karosserie dem opeltypischen Baukastenprinzip der Großserie, es gab ihn um zwei Einheiten erweitert auch als Sechszylinder mit zweieinhalb und 3,6 Litern Hubraum für die Vorkriegsmodelle Kapitän, Admiral und den Lastwagen Opel Blitz. Der unspektakuläre, ja unzerstörbare OHV-Reihenvierer diente mit maximal 67 PS noch bis 1965. Erst im Interimsmodell Rekord B, nur elf Monate lang gebaut, löste ihn die feine CIH-Konstruktion (Camshaft in Head) ab, die bei General Motors in Detroit entwickelt wurde. Duplexkettenantrieb, sehr kurze Stößelstangen