»Es ist eine Offenbarung, sich in der Wildnis klein zu fühlen«

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Kris Tompkins verliebte sich in Doug, dann verfielen beide der Schönheit Patagoniens. Um dessen Natur zu schützen, kauften die beiden Unternehmer für Hunderte Millionen in Chile und Argentinien eine Fläche, so groß wie die Schweiz. 15 Nationalparks wuchsen. Und selbst Dougs Tod konnte Kris nicht davon abhalten, ihren gemeinsamen Traum weiter wahr werden zu lassen

Geschützte Steppe im Süden Chiles: Kris Tompkins auf einem der vielen Wanderwege im Nationalpark Patagonia
FOTO: JIMMY CHIN

Am Ende des Interviews schwärmt sie von David Attenborough. Dass sie dem legendären Naturforscher und Tierfilmer einen Brief geschrieben und eigentlich nicht mit einer Antwort gerechnet habe, aber trotzdem zehn Tage später eine im Briefkasten lag. Ihre Bescheidenheit ehrt sie, aber: Selbstverständlich hat Sir David geantwortet. Kristine McDivitt Tompkins, die alle nur Kris nennen, gehört schließlich zu den größten Umweltschützern aller Zeiten. Wenige Menschen haben mehr Wildnis gerettet als sie, Ex-CEO der Outdoor-Marke Patagonia, und ihr Mann Doug, Mitgründer von The North Face. 2018 vermachte sie in beider Namen der chilenischen Regierung die größte private Landschenkung Chiles. Und obwohl ihr Lebenswerk damit eigentlich schon gesichert ist, arbeitet die 73-jährige US-Amerikanerin als Präsidentin ihrer Tompkins Conservation noch immer daran, ihre Nationalparks mit Leben zu füllen – auch wenn sie viel von ihrem eigenen mittlerweile in den USA verbringt. Von Shaw Island im Nordwesten Amerikas schaltet sie sich zum Gespräch zu, um darüber zu reden, warum ein Picasso weniger wert ist als ein Wald, wie es sich mit abgehörten Telefonen lebt und warum in ihrem einstigen Haus in Patagonien bald Gäste übernachten dürfen.

merian Als Sie und Ihr verstorbener Ehemann Doug Tompkins Anfang der neunziger Jahre damit begannen, Patagonien gemeinsam zu entdecken, stiegen Sie in kein Auto, sondern beinahe täglich in das Propellerflugzeug, mit dem Ihr Mann gerne mitten im Nirgendwo landete. Waren diese Trips so abenteuerlich, wie sie sich anhören?

KRIS TOMPKINS Oh, ich würde schätzen, siebzig Prozent der Flüge waren holprig und oft ziemlich unheimlich. In Argentinien ist es nicht so schlimm, aber in Chile ist das Fliegen schwierig, man schwebt über den Anden oder dem Pazifik, das Wetter ist brutal. Wir sind an einigen extremen Orten gelandet. Patagonien ist ein wildes Territorium, das vom Boden aus schwer zu begreifen ist. Aber durch das viele Fliegen konnten wir die Landschaft wirklich verstehen – das hat, glaube ich, fast alles beeinflusst, was wir danach taten.

Was genau hat Sie an Patagoniens Landschaft so fasziniert?

Besonders auf argentinischer Seite ist sie so gewaltig und – in Anführungszeichen – leer. Die Gauchos lebten damals noch sehr isoliert und waren von den Elementen

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