STARKE TÖNE

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IGOR LEVIT

PREISGEKRÖNT ALS PIANIST, MIT LOB ÜBERSCHÜTTET ALS EINER DER „BEDEUTENDSTEN KÜNSTLER SEINER GENERATION“ ALS „GLÜCKSFALL“. Engagiert als mündiger Bürger und Europäer auf Twitter, im Podcast und Talkshows, der kein Blatt vor den Mund nimmt. Auch in diesem Interview nicht.

FOTOS AXEL MARTENS

Es ist von einer Minute auf die andere, als hätten wir uns schon immer gekannt. Igor kommt mit seinem Klapprad in kurzer schwarzer Turnhose und Shirt vom Sport. Wir treffen uns auf der Straße vor seiner Wohnung, sind sofort beim Du, gehen, er mit dem Fahrrad unter dem Arm, die eineinhalb Stockwerke hoch in seine Berliner Altbauwohnung. Eigentlich ist es ein riesiger Raum mit Küchenzeile, Tisch, Couch und natürlich in der Mitte der Flügel. Die anderen Zimmer sind nur Satelliten. Zu Hause bei einem der berühmtesten Pianisten der Welt, der so ganz anders ist. „Citizen, European, Pianist“ steht auf seiner Website. Die Reihenfolge ist wichtig und macht ihn vor allem bei jungen Menschen beliebt – als gesellschaftlich engagierter Mensch auf Twitter, in Talkshows, auf dem Parteitag der Grünen oder bei Aktivist:innen, die einen Wald besetzt halten. Als Musiker, der während der Pandemie über Youtube Hauskonzerte in die Welt gespielt hat. Wir kochen zusammen mit seiner PR-Managerin Maren Borchers Kaffee, Igor redet, fragt Axel, den Fotografen, mich, den Interviewer aus, will wissen und hängt nebenbei an seinem Handy. Irgendwo muss er wohl mit seinen Händen hin. Die Frage vor dem Beginn unseres Gesprächs, warum er gerade jetzt so viel mobil rumdaddelt, versucht er charmant zu umgehen.

Igor Levit: Das ist ein Gerücht. Ich bin nie am Handy. Stimmt’s, Maren, ich bin nie am Handy. Das wäre ja ein schlechter Stil …

MAX: … den dir die Wenigsten vorwerfen. Auch außerhalb der klassischen Musikwelt hast du gerade bei Jüngeren sehr hohe Sympathiewerte. Viele empfinden dich als ganz normalen, geerdeten Typen. Nicht als Weltstar. Wie wichtig ist es für dich, ein normales Leben zu führen?

Levit: Es hält mich. Ich habe nie einen guten Außenblick auf mich gehabt. Aber auch keinen Bedarf, darüber nachzudenken, wer ich bin, da draußen oder für andere Menschen. Was ich aber grundsätzlich auf allen Ebenen versuche, ist so eine Art Standleitung zu halten zu Menschen, die mir zuhören. Ich will nicht nur in meinem eigenen Ich sein. Ich halte bewusst Kontakt auch in den sozialen Medien, weil ich mich für Menschen sehr, sehr interessiere.

MAX: Andere berühmte Persönlichkeiten leben gern in ihrer eigenen Blase, lassen sich hofieren, lieben die Aufmerksamkeit bei Events …

Levit: Also erstens gehe ich nicht häufig zu solchen Events und werde daher auch viel seltener eingeladen als du denkst. Und wenn, dann stolziere ich nicht durch den Raum mit einem Schild auf der Stirn und der Aufschrift:

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