SIND WIR DIESEN ZEITEN noch GEWACHSEN, HERR PRECHT?

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RICHARD DAVID PRECHT

EIN GESPRÄCH ÜBER HERAUSFORDERUNGEN UND KRISEN, GESELLSCHAFTLICHEN ZUSAMMENHALT, die Rolle von Qualitätsjournalismus in aufgeregten Zeiten und eine düstere Prognose, wenn nicht noch einiges passiert …

SINNGES ESELLSCHAFT SOZIALE VERWERFUNGEN, Tierwohl, Digitalisierung, Plichten, Veranderung der Arbeitswelten, abstiegsgesellschaft, Bellizismus, offene Briefe, Erregungsgesellschaft Dramatisierung, gespaltene Gesellschft Gaskrise, Medienkritik,

MAX: Was ist die größte Herausforderung unserer Zeit?

Precht: DAS ÜBERLEBEN DER MENSCHHEIT. ES SIND NUR NOCH WENIGE JAHRZEHNTE, BIS DIE SOZIALEN FOLGESCHÄDEN DER ÖKOLOGISCHEN KATASTROPHE ZU KONFLIKTEN AUF DIESER ERDE FÜHREN WERDEN, DIE GRÖSSER SIND ALS ALLES, WAS DIE MENSCHHEIT BISHER ZU BEWÄLTIGEN HATTE. Insofern kann man sagen, dass der Kampf gegen die drohende Klimakatastrophe und das Verschonen des Planeten die beiden Hauptaufgaben der Menschheit sind.

MAX: Das Thema beschäftigt uns eigentlich seit mehr als 50 Jahren. Und trotzdem diskutieren wir ganz andere Themen, auch abseits von den Folgen des Ukrainekrieges. Nehmen wir unsere eigene Zukunft nicht ernst genug?

Precht: Ja, natürlich nehmen wir sie nicht ernst genug. Ich bin quasi mit der Gründung der Grünen sozialisiert, und damals gab es diesen Report „Global 2000“, der in eine ähnliche Richtung ging wie der Club of Rome mit den „Grenzen des Wachstums“. Und ich war verzweifelt damals, Anfang der 80er-Jahre wurde ich in die Schublade des Spinners getan, wenn ich Dinge gefordert habe für die Umwelt, die heute selbstverständlich sind. Vor 40 Jahren hatten wir noch viel bessere Möglichkeiten, etwas zu tun. Jetzt fürchte ich, dass der Zug zur Rettung der Menschheit abgefahren ist. Ich glaube nicht mehr daran, dass wir es schaffen. Aber ich hoffe, dass wir wenigstens nicht alle Pflanzen und Tierarten gleich mit ausrotten, und der Planet zumindest eine Chance bekommt, sich zu regenerieren.

MAX: Das heißt ohne den Menschen hat der Planet die Chance zum Aufbruch …

Precht: Natur ist mein großes Lebensthema. So traurig und dramatisch das für die Menschheit ist, aus der Sicht der Biodiversität ist das Verschwinden des Menschen nicht tragisch.

MAX: Wie alt ist Ihr Sohn?

Precht: Er ist 19 Jahre alt, und für jeden, der Kinder hat, gibt es genügend Gründe, den Untergang der Menschheit nicht zu feiern. Aber ich fange an, mich mit dem Gedanken zu arrangieren, dass es nicht mehr fünf vor zwölf ist, sondern inzwischen fünf nach zwölf. Wenn man sich anguckt, was alles abbrennt, wenn man sich anguckt, was in weiten Gebieten Afrikas durch Dürre und Überschwemmungen passiert, dann bekommen wir jetzt schon eine Vorstellung, welche enormen Kriege, Völkerwanderungen uns da in relativ naher Zeit bevorstehen. Da wird uns auch kein Limes, keine Abschottung

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