Hier ist das Volk

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Die alte Kraft der FREIHEIT und ihre lange Geschichte.

Es war ein alltäglicher Vorfall irgendwo in Südafrika. Die Welt nahm keine Notiz davon. Aber ein halbes Jahrhundert später hatten die Briten eines ihrer größten und wertvollsten Besitztümer verloren: Indien, einen ganzen Subkontinent.

SYMBOL DER FREIHEIT: GANDHI-STATUE IN PUDUCHERRY, INDIEN.

Beide Ereignisse verbindet eine zusammenhängende Linie, die in jenem Ereignis ihren Anfang hat, geschehen in einem Zug, der im Jahr 1893 von Durban nach Johannesburg fuhr. Im Erste-Klasse-Abteil saß ein vornehm gekleideter Inder, Rechtsanwalt, der nach Pretoria wollte. In Pietermaritzburg stieg ein weißer Fahrgast zu und nahm Anstoß an dem „farbigen“ Mitreisenden, rief den Zugbegleiter, und dieser verwies den Inder in den Gepäckwagen. Der weigerte sich, zeigte seine rechtmäßig erworbene Fahrkarte, doch das nützte ihm nichts. Ein Polizist kam, warf ihn hinaus und das Gepäck hinterher. Der Hinausgeworfene fasste an jenem Tag für sich selbst zwei Vorsätze: Erstens, dass er sich nie wieder unterdrücken lassen, sondern Widerstand leisten werde, und zweitens, dass er aber dabei keine Gewalt anwenden werde.

WARSCHAU

Er hat diese Prinzipien tatsächlich verwirklicht, ein Leben lang durchgehalten und sie obendrein einem ganzen Volk eingeflüstert. Seinem Volk. Diesem bläute er ein: Wir beugen uns vor keinem Herrn. Wenn dieser uns schlägt, schlagen wir nicht zurück, aber geben uns nicht geschlagen, niemals.

Damit ist nun zu erahnen, wer der seltsame Fahrgast war, der 1893 aus dem Zug geworfen wurde: Mohandas Karamchand Gandhi, unter dessen Führung die Inder so lange mit Demonstrationen, Streiks, Boykotten, Märschen gegen die Herrschaft der britischen Kolonialmacht rebellierten, bis diese kapitulierte. Winston Churchill hatte kurzen Prozess machen wollen mit dem „halb nackten Fakir“, als den er ihn bezeichnete. Am Ende, 1947, mussten die Briten ihre Kolonie in die Unabhängigkeit entlassen.

Der Wille zur Freiheit und der Mut, sie sich zu erkämpfen, erwachsen so gut wie immer aus verletzter Würde. Und die Geschichte dieser Erfahrung ist lang. Begonnen hatte sie, als sich vor ungefähr 3200 Jahren ägyptische Sklaven die grundlegende Frage gestellt hatten, warum es eigentlich Herren und Knechte geben muss. Und sie kamen zu dem Schluss: Es gibt keinen richtigen Grund dafür. Und darum sagten sie sich: Der Pharao kann uns mal, wir hauen jetzt einfach ab.

Wir kennen diese Geschichte als „Auszug des Volkes Israel aus Ägypten“, aufgeschrieben im Buch Exodus. Es ist der Gründungsmythos der Juden und der Christen. Er birgt eine unerhörte Idee: Der ägyptische Pharao in seiner Pracht zählt vor Gott nicht mehr als der Ziegenhirt in seinen Lumpen. Alle Menschen sind frei und gleich und Inhaber einer von Gott verliehenen Würde. Die Kraft dieser Erzählung wir

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