EINE NEUE EPOCHE DER Freiheit?

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FREIHEIT UND DEMOKRATIE

Die Pandemie hat die Welt nicht nur zum Schlechteren verändert. Es ergeben sich neue Chancen für jeden Einzelnen von uns und damit auch für die Gesellschaft.

Die Jahre

der Pandemie haben unsere Welt verändert – und uns auch, denn wir sind Überlebende, und nun stellen sich neue Fragen. Nicht allein, weil wir nun mehr digital arbeiten, öfter die Hände waschen und bereitwillig Masken tragen, sondern vor allem im Hinblick auf die Frage, was ein gutes, ein lebenswertes und sinnvolles Leben ausmacht. Und die vielen einzelnen Entscheidungen führen dann zu einer ganz großen Veränderung: Die Pandemie hat uns gelehrt, dass das Wohl des Einzelnen und das Wohl der anderen unmittelbar miteinander verbunden sind. Daher verändert, wer sich selbst verändert, auch die ganze Welt.

In Frankreich, so eine Studie, geben zehn Prozent der Menschen an, aufgrund der Pandemieerfahrung ihr Leben ändern zu wollen. Sie ziehen um, trennen oder verlieben sich, wechseln den Beruf oder gehen neuen Fragen nach. Man kann es überall hören: Aus einem Manager in meinem Bekanntenkreis ist ein passionierter Schreinerlehrling geworden. Sein Vermögen vermehrt er nicht nur durch Spekulation, sondern er setzt es ein, um den Weg in den neuen Beruf zu finanzieren. Ein alter Freund, der sich in seiner Branche, dem Rechtehandel, schwertat, beendet diese Karriere, um Erziehungsberater an einer Schule zu werden. Das sind nicht nur individuelle Entscheidungen von begüterten Personen, sondern es geht durch alle Branchen und Milieus: Man nimmt sich die Freiheit, Zukunft selbst zu gestalten und dabei nicht nur an das eigene Bankkonto, den eigenen Spaß zu denken, sondern daran, was gut für alle ist, denn die umfassende Bedrohung durch Covid belebte unser Gefühl für Gemeinschaft.

In den USA spricht man schon von der Great Resignation: Millionen von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern sind in ihre durch die Pandemie pausierenden Jobs nicht mehr zurückgekehrt.

Statt zu verkaufen, im Service zu arbeiten oder Dienste am Kunden zu leisten, suchen sie beruflich neue Wege. Das sind Größenordnungen, die von einer echten Umbruchserfahrung künden, wie sie nur alle paar Generationen mal vorkommt. Besonders daran ist, dass die Veränderung im Privaten, in den eigenen Gedanken beginnt und dass gerade die Jugend besonders daran teilhat. Die Coronapandemie hat uns Lehren erteilt, die dem postmodernen, digitalen Kapitalismus nicht unbedingt gefallen. Plötzlich wurden die schlecht bezahlten Berufe lebenswichtig. Die Kooperation über Grenzen hinweg wurde wichtig, die Mängel im öffentlichen Dienst wurden offenbar. Und auch die herkömmliche Politik wirkte wie aus der Zeit gefallen. Man erinnert sich an jene langen Sitzungen, in denen der damalige Gesundheitsminister auffiel, weil die Bundeskanzlerin ihm eine Frage stellte, während er kau

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