MEHR DUSCHEN während der Arbeitszeit WAGEN

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NEW WORK SAH ICH zum ersten Mal, da wusste ich noch gar nicht, dass es New Work gibt. Ein Foto von einem Traumstrand, davor ein aufgeklappter Rechner und eine Überschrift, die etwas sagte wie „Der Blick aus Ihrem neuen Büro“. Das war eine Anzeige vor langer, langer Zeit, die Werbung für die ersten Laptops machte. DU KANNST AM STRAND ARBEITEN, WAS FÜR EIN IRRER TRAUM.

Ein paar Jahre später arbeitest du wirklich am Strand. Und zwar in deinem Urlaub. „Papi, wann kommst du?“ „Nur noch eine Mail, ihr könnt ja schon mal ins Restaurant vorgehen und bestellen, ich komm gleich...“. Seitdem gibt es in allen Branchen, wo irgendwas zu managen ist, das Erreichbarkeits-Posing, „Ich hab jetzt zwei Wochen frei, aber wenn was ist, ihr wisst ja wo ihr mich findet...“.

DAS WURDE ABGELÖST VOM NEW-WORK-POSING. Ich erinnere mich an den Besuch eines CEOs in unserer Agentur.

Ich machte mit ihm eine kleine Tour durch unsere Räumlichkeiten in Berlin, und irgendwann sagte er: „Ihr wollt unsere Marke modernisieren? IHR HABT JA NOCH BÜROS! Wir stellen gerade alles auf Open Workspaces um!“ Sein Team, alles Männer, bog sich vor Lachen und Bewunderung für ihren Chef. Sie trugen alle – ICH SCHWÖRE – die exakt gleichen weißen Sneaker wie ihr CEO.

Seit der Pandemie hat sich das alles beschleunigt, und es gibt ein Wettrüsten um Newness, wenn es um New Work geht.

Wer hat die meisten Prozent Homeoffice? Wer schafft als Erstes feste Arbeitsplätze ab? Wer schafft als Erstes seine Büros ab? Wer’s anders macht, ist dann im Linkedin-Feed ganz schnell old. OLD WIE IN OLD ECONOMY. ODER WIE IN OLD WHITE MAN.

Warum schreibe ich das? Weil oft im Namen von Modernität und Lockerheit dann doch einfach wieder neue Regeln und Rituale entstehen, die genauso einengend sind wie die alten. Für jemanden, der eine Firma leitet, haben sie zwei geniale Vorteile. Erstens: Sie klingen cool. Zweites: Ich muss an meinem Chefsein nichts ändern, außer dass ich im Teams-Call aus dem Homeoffice jetzt immer ein schwarzes T-Shirt und Apple-Watch trage und natürlich gerade vom Sport komme.

BEI NEW WORK GEHT ES ABER NICHT UM IR-GENDWELCHE HOMEOFFICE-REGELUNGEN UND HÖHENVERSTELLBARE SCHREIBTISCHE. ES GEHT IM KERN UM FREIHEIT. FREIHEIT, DIE MAN MEN-SCHEN GIBT UND DIE KREATIVE ENERGIE FREI-SETZT. Freiheit, die Unternehmen wachsen lässt. Aber auch Freiheit, die Chefinnen und Chefs Angst machen kann. Lasst uns über Freiheit sprechen!

Die KREATIVBRANCHE ist eine besonders unfreie Branche. Das mag überraschend sein. VIELES, WAS GERADE ERST IN KONZERNEN EINZIEHT, GIBT ES BEI UNS SCHON SEIT JAHRZEHNTEN. Alle duzen sich, casual Friday ist jeden Tag, persönliche Spleens werden im Büro ausgelebt und sogar gefördert, und Arbeiten und Feiern sind ja sowieso irgendwie das Gleiche. Hinter Bierkühlschrank und Tischkicker her

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