SAUBER UND REIN GLÜCK ALLEIN?

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Experten gehen davon aus, dass jedes vierte Kind im Laufe seines Lebens an einer Allergie leiden wird. WIE ELTERN VORBEUGEN KÖNNEN, erklärt die Biologin Petra Ina Pfefferle von der Universität Marburg

So blitzeblank sieht das Kinderzimmer zwar toll aus, aber komplett steril sollten die Kids nicht aufwachsen. Ein paar Keime dagegen stärken die Körperabwehr
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Sie haben die 30 Jahre alte Hygienehypothese noch einmal unter die Lupe genommen. Demnach dominierten bis vor rund 100 Jahren die Infektionskrankheiten und wurden durch Autoimmunkrankheiten und Allergien abgelöst. Den Grund dafür sieht die Wissenschaft in unserer modernen westlichen Lebensweise. Wo genau liegt unser aller Problem?

Professor Petra Pfefferle: Wir haben unsere Lebensweise aus dem sehr ländlich geprägten Raum in die Städte verlegt und so den Kontakt sowohl zur Natur als auch zu Nutztieren verloren, die früher automatisch zu den Menschen gehörten. Unser Immunsystem ist deshalb während der Kindheit mit immer weniger Antigenen von bakteriellen, parasitären und viralen Erregern konfrontiert.

Sollten Kinder also sprichwörtlich mehr Dreck essen?

Nein, das nicht. Doch je mehr die Kinder mit bestimmten Bakterien in Verbindung kommen, desto besser ist es für ihr Immunsystem. Die Konfrontation mit unserer biologischen normalen Umwelt ist absolut wichtig. Fällt ein Kind mal hin und macht sich die Hände dreckig, müssen die also nicht sofort gesäubert oder gar desinfiziert werden.

Viele Städter gehen in Wäldern oder Parks spazieren. Reicht das nicht?

Unsere Parks und Naherholungsgebiete sind meist schon sehr beschnittene natürliche Räume. Selbst wenn man aufs Land zieht, erzielt man nicht den gewünschten Effekt. Denn was nutzt mir der Bauer um die Ecke, wenn ich selbst noch so lebe wie im städtischen Milieu?

Wie haben die Modernisierung und die stetig wachsenden Städte unsere Gesellschaft verändert?

Weil Menschen auf so engem Raum zusammenlebten, mussten hygienische und sanitäre Maßnahmen eingeführt werden, damit Infektionen – die im 19. Jahrhundert noch massiv verbreitet waren – zurückgedrängt werden konnten. Die letzte Cholera-Infektion ist zum Beispiel gerade mal 150 Jahre her. Zusätzlich waren Impfungen extrem wichtig, die dazu geführt haben, dass verschiedenste, sehr gefährliche Krankheiten ausgerottet werden konnten. Menschen nahmen außerdem sauberere und kontrollierte Nahrung zu sich, Durchfallerkrankungen gingen stark zurück. All diese Effekte führten zu einer höheren Lebenserwartung und geringeren Kindersterblichkeit.

Doch es gab auch Nachteile …

Ja, durch den Verlust von Infektionskrankheiten und geringeren Kontakt mit Mikroben begegneten den Kinderärzten plötzlich neue Erkrankungen: entzündliche Erkrankungen und Allergien wie Heuschnupfen, Asthma und Neurod

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