Mein neues Umfrage-Hoch

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KOLUMNE

Sabine und ihre Welt

SABINE JENSEN (53) wohnt im Speckgürtel von Hamburg. Hauptberuflich ist sie Mutter. Aber nebenbei arbeitet sie noch. Da gibt es viel zu erzählen – vom ganz normalen Wahnsinn

Heutzutage brauchen die Unternehmen nur noch die Daten, die wir im Netz hinterlassen, um unser Konsumverhalten zu analysieren. Aber als ich noch sehr jung war, wurde ich beim Stadtbummel manchmal von Menschen in der Fußgängerzone angesprochen, ob ich bereit sei, an einer Marktforschungsumfrage teilzunehmen. Ich habe immer mitgemacht. Die Wahrheit: Ich hoffte sogar darauf, dass man mich anspricht.Wegen der Aufwandsentschädigung, meist eine Produktprobe, manchmal sogar ein paar Mark. Und weil ich mir albernerweise ein bisschen wichtig vorkam, wenn man mich aus der Menge fischte und um meine Meinung bat. Inzwischen gibt es keine Marktforscher mehr, die mich auf der Straße ansprechen, dafür werde ich ab und an von Meinungsumfrage-Instituten angerufen, die mich im Auftrag irgendwelcher Forschungsstudien zu gesellschaftspolitischen Themen befragen möchten. Die erste dieser Befragungen fand während der Pandemie statt und sollte Daten liefern für eine soziologische Studie zum Zusammenhang zwischen Wohnverhältnissen und seelischem Wohlbefinden während Corona, und sie dauerte eine ganze Stunde. Ich nahm sie mir – aus Gründen, die ich selbst so verworren fand, dass ich den mit mir #stayhomenden Mann mit einem vagen „Bin jetzt mal mit einem dringenden Telefonat beschäftigt, bitte nicht stören!“ aus dem Wohnzimmer aussperrte in der Hoffnung, er möge mich nicht belauschen und danach fragen, warum ich bei so was mitmache: Nichts läge meinem Mann ferner, als Fremden über seine Wohnverhältnisse und sein Wohlbefinden Auskunft zu geben. Dass ich einwilligte, geschah ein wenig aus Langeweile, man erlebt ja sonst nicht viel Interessantes während eines Lockdowns, und aus Neugierde: Was würden die Soziologen wissen wollen? Außerdem fand ich, es sei so was wie meine Bürgerpflicht: Andere überlassen ihre toten Körper der Wissenschaft, da konnte ich ihr wenigstens eine Stunde meiner Zeit, Infos zur Größe unseres Hauses und zu den Grünflächen in der Nachbarschaft und dem Zustand

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