„Ich habe Missbrauch überlebt und breche mein Schweigen“

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Jasmin (27) erlebte als Kind sexuelle Gewalt. Heute ist sie Tätern auf der Spur und geht aktiv gegen Cybergrooming vor

Vergewaltigt, bedroht, verfolgt: Seit ihrer Kindheit ging die junge Frau durch die Hölle, bis sie aus dem Täter-Netzwerk ausbrach. Jetzt macht sie sich für Betroffene stark

Sie war erst elf. Wie hätte sie ahnen können, was die Männer wirklich von ihr wollten? Jasmin war eines von vielen Kindern, die täglich über das Internet Nachrichten von älteren Männern bekommen. Alle haben ein Ziel: Sie wollen Minderjährige treffen und sie missbrauchen. „Die Gesellschaft ist über diese Gefahren nicht genug aufgeklärt.

Es gibt keinen hundertprozentigen Schutz vor Cybergrooming, das ist den wenigsten klar.“ Diese deutlichen Worte findet Jasmin Scholl heute. Sie setzt sich aktiv gegen Kindesmissbrauch ein und kennt als Betroffene, die ein Jahrzent lang von Männern vergewaltigt und massiv bedroht wurde, die Maschen der Täter und die Lücken in unserem Jugendschutz-System.

Jasmins Kindheit ist von Willkür und Gewalt geprägt. Ihre psychisch kranke Mutter wird schon beim Anblick des Kindes wütend, verweigert ihr Essen und warme Kleidung, tut ihr weh und sperrt sie ein. Ein Laptop und ihr Handy werden zu ihrem Fenster in die Welt. In Online-Foren kann sie mit Klassenkameraden chatten – und wird bald auch von älteren Männern angeschrieben. Sie fragen, wie es in der Schule läuft. Und wo die Schule ist. Sie wollen wissen, was ihr wichtig ist. Eine perfide Strategie: „Ich dachte, die interessieren sich wirklich für mich und meine schwierige Situation zu Hause.“ Dass die Männer nicht mit ihr Eis essen oder in den Park gehen wollen, merkt das Kind erst, als es in Autos und Wohnungen gelockt wird, die Türen verriegelt werden. Ihr Körper reagiert mit Schockstarre, ihr Kopf schaltet sich während der Taten völlig aus. Dissoziation heißt diese

Ihr Körper verfällt in Schockstarre, der Kopf schaltet sich aus
Links: Ein Original-Chat mit einem von Jasmins Tätern

„Es ist naiv zu sagen, man zieht weg und ist sicher“

Selbstschutz-Reaktion, die dann auch im Alltag durch Auslöser wie das Geräusch vom Verriegeln einer Tür hervorgerufen werden kann. Einige Täter geben Jasmin Geld, mal zehn Euro, mal mehr. „Damit konnte ich mir was zu essen holen.“ Manchmal wird daher von Kinderprostitution gesprochen. „Es gibt keine Kinderprostitution. Es ist immer Vergewaltigung. Punkt“, stellt Jasmin richtig.

Auch die Aussage „Sie hätte doch etwas sagen können“, hört sie oft. Damit machen es sich Außenstehende allerdings zu leicht. Die Täter wissen jederzeit, wo die Kinder sind und wie sie sie zum Schweigen bringen: Wenn du was sagst, töte ich deine Katze, deine Schwester, deine Freundin. Selbst als Jasmin mit 16 in ein Kinderheim kommt, geht der Missbrauch weiter. ��