Genussheld
Gerhard Daumüller baut auf seinem Keltenhof in Filderstadt bei Stuttgart Blüten, Kräuter, Salate und Wildgemüse an, die die Teller der deutschen Spitzengastronomie schmücken
Wir stehen um halb acht auf dem Acker und probieren Mitsuba-Salat mit Koriander-, Liebstöckel- und Karottenaromen. Die Geschmacksknospen sind seit dem Biss in Bronzefenchel (Lakritze!) und Indianernessel (adstringierend!) hellwach. Gerhard Daumüller könnte auch im stylishen Besprechungsraum des Keltenhofs seine Erfolgsgeschichte erzählen: Wie er als Erster vor fast 25 Jahren in Deutschland Baby-Leaf-Salat angebaut hat. Mit Micro Leaves, noch kleiner und intensiver, etwa Blutampfer, Kapuzinerkresse, Roter Senf oder Shiso, landete er den nächsten Hit. Und die Wildkräutersalate und Blüten sind aus der Spitzengastronomie inzwischen nicht mehr wegzudenken. Aber an diesem Morgen schlägt Gerhard Daumüllers Gärtnermeisterherz, nicht das des smarten Unternehmers. Wir machen uns die Schuhe dreckig und naschen quasi im Feldversuch Salate und Kräuter. Frischer bekommen es nur Schnecken.
Was heute an Mitsuba, Bronzefenchel & Co geerntet wird, ist morgen schon in den Restaurantküchen in Hamburg, Berlin oder München. Die Logistik ist ausgefeilt – Salat welkt schnell. „Und? Toller Crunch, oder?“ Wir stehen in einem der vielen Gewächshäuser und knabbern an wildem Pak Choi. Der wird klein geerntet, am besten mariniert und roh gegessen. Daumüllers ehrliche Freude über seine gelungene Produktidee ist ansteckend. Wild, obwohl angebaut? Vereinfacht gesagt, werden beim Anbau der Wildwuchs und seine aromatische Intensität durch eine geringere Standdichte und besondere Sorten nachgeahmt: auf dem Keltenhof unter anderem bei wildem Brokkoli oder Blumenkohl.
Daumüller zeigt später im Kühlhaus einen rosafarbenen Wildblumenkohl, der beim Kochen durch Zugabe von Säure pink wird – die Idee eines Pflanzenzüchters. Es geht Daumüller immer nur um das Produkt. Das will er zum Star machen, nicht sich selbst. Japan ist nach wie vor ein wichtiger Impulsgeber, das zeigt ein Blick in die Angebotsliste des Keltenhofs: Wasabi-Blätter, Tatsoi- oder Mizuna-Salat. Aber auch Feldsalat oder Grünkohl werden auf dem Keltenhof angebaut. Und natürlich der Bestseller: Baby-Leaf-Salat.
