Showkönig mit Schattenseiten

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REPORT

Unerreicht und unvergessen: Harald Juhnke wäre jetzt 95 geworden. Der NDR feiert den großen Entertainer mit einem Themenabend

Die Showtreppe gehörte ihm. Mehr noch. Harald Juhnke war die Show. Als er 1979 erstmals „Musik ist Trumpf“ präsentierte, fragten sich viele: Kann der überhaupt moderieren? Doch nach ein paar Minuten war das Publikum begeistert von dem berlinernden Filou im Frack. Er sang „Ein Mann für alle Fälle“ – und war es auch: Sänger, Schauspieler, Komödiant, Tänzer, Entertainer. Das Publikum war hin und weg. Juhnke, der Alleskönner, ging nicht, er tänzelte, wiegte leicht die Hüfte. Die Arme baumelten hin und her. In einem Sketch über sich selbst machte er sich später über diese mäandernden Arme lustig: „Sieht aus, als hättest du dir die Hände im Dunkeln gewaschen und würdest das Handtuch nicht finden.“

Am 10. Juni wäre Harald Juhnke 95 Jahre geworden. Zum Jubiläum widmet ihm der NDR schon am 1. Juni einen Themenabend (siehe TV-Tipp). Doch sein Weg vom „Kellerkind“ aus dem Arbeiterviertel Wedding ins Rampenlicht war weit. Geboren 1929, wuchs Harry Heinz Herbert Juhnke in einer Mietskaserne im Wedding auf, der Vater war Polizist, die Mutter kam aus einer Bäckersfamilie. Harry sollte Bäcker werden, doch er entdeckte bei einem Theaterbesuch seine Berufung: die Bühne! An der Schauspielschule nannte sich Harry dann Harald, schrie einmal: „Ich werde der berühmteste Schauspieler Deutschlands!“

Und Harald, der liebenswert-lustige Workaholic, legte los: In den 1950er- und 1960er-Jahren spielte er an vielen Theatern und in seichten Heimatfilmen. Fiel den Autoren nichts ein, schrieben sie ins Drehbuch: „Hier sagt Harald etwas Komisches.“

Als TV-Komödiant wurde er mit „Ein verrücktes Paar“ bekannt, mit „Musik ist Trumpf“ als „deutscher Sinatra“ zum Liebling der Nation. Und der Frauen. Er konnte Menschen binnen Minuten zum Weinen oder Lachen bringen, sein Gespür für Pointen war phänomenal. Er war süchtig nach Applaus – und Alkohol, womit er offen kokettierte: „Glück? Keine Termine und leicht einen sitzen.“ Er ließ Proben und Auftritte platzen. Je höher er stieg, desto heftiger waren seine Abstürze. Die Presse machte Jagd auf ihn und Gattin Susanne, seine große Liebe.

Triumph im Charakterfach

Viele Abstürze, viele Comebacks. Das Publikum verzieh dem gebrochenen Helden, der auch lange trockene Phasen hatte. In den 1990ern wurde der sehr wandlungsfähige Künstler mit Preisen für ernste Rollen überhäuft, brillierte schicksalhaft als „Der Trinker“. Sein Manager Peter Wolf weiß: „Der Erfolg im Charakterfach im Spätherbst seiner Karriere hat ihn stolz gemacht.“ 2001 die Schocknachricht: Juhnke war unheilbar dement, Folge der Alkoholkrankheit. 2005 hatte die Sucht endgültig gewonnen – das Publikum verlor den größten Entertainer seiner Zeit.

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