»Lasst euch die KINDHEIT nicht austreiben

4 min lesen

GESCHICHTE

125 JAHRE ERICH KÄSTNER

Seine Kinderbücher machten Erich Kästner unsterblich. Eine Doku erinnert an den Autor und Moralisten

DENKMAL Kästner 1959 mit seiner Bronzebüste des Bildhauers Frayber. Seine Romane und Gedichte galten schon damals als Klassiker

Die Menschen standen Schlange, um Erich Kästner lesen zu hören. Zu vier Veranstaltungen in der Wiener Stadthalle kamen 1961 jeweils 4000 Besucher. Auch die britische Königin Elizabeth war ein Fan und lud ihn 1956 zum Tee ein, als er wegen eines Kongresses des PEN-Clubs in London war. Luiselotte Enderle beschreibt in ihrer Biografie den Rummel, den ihr langjähriger Lebensgefährte Kästner mit seinen Auftritten auslöste. Der Schriftsteller war populär wie ein Popstar. Und seine Werke, in 75 Sprachen übersetzt, sind bis heute ebenso beliebt wie aktuell.

Doch der Ruhm war nur die eine Seite eines von Krisen bestimmten Lebens: schwierige Kindheit, Naziterror, schwere Krankheit im Alter. All das prägte ihn. „Er war ein überaus distanzierter und schwieriger Mensch“, schreibt Sven Hanuschek in der Biografie „Keiner blickt dir hinter das Gesicht“ (Hanser, 34 Euro). Der Literaturwissenschaftler kommt auch in der Dokumentation „Erich Kästner: Das andere Ich“ (siehe TV-Tipp S. 20) zu Wort. Anlass ist der 125. Geburtstag des Autors in diesem Jahr.

BESTSELLER Seit 1929 erfreut Erich Kästners Roman „Emil und die Detektive“ Kinder immer wieder neu

Unvergessen ist Kästner vor allem wegen seiner Romane für Kinder wie „Pünktchen und Anton“ (1931), „Das fliegende Klassenzimmer“ (1933) oder „Das doppelte Lottchen“ (1949). Allein „Emil und die Detektive“ (1929) wurde achtmal verfilmt, es gibt etwa eine argentinische und eine japanische Fassung. Der erste Film entstand 1931 in Deutschland, Kästner schrieb das Drehbuch mit dem jungen Billy Wilder, der später in Hollywood als Regisseur große Erfolge feierte. „Kästner hat die Kinderliteratur revolutioniert“, sagt die Philologin Laura Mokrohs. Die Klarheit seiner Sprache, seine Humanität und sein Einfühlungsvermögen in die Vorstellungswelt von Kindern zeichneten ihn aus. „Lasst euch die Kindheit nicht austreiben“, schrieb er einmal. „Nur wer erwachsen wird und Kind bleibt, ist ein Mensch.“

Eine Kindheit voller dunkler Schatten

Eine Geschichte muss wahrhaftig und humorvoll sein und ein gutes Ende haben – mit dieser Maxime trifft Kästner bis heute den Nerv junger Leser. „Das ist ein Spezialtalent“, sagte er 1964 in einem Interview. Aber so offen er als Autor wirkte, so zurückhaltend war er als Mensch. Emil Erich Kästner kam am 23. Februar 1899 in Dresden in einfachen Verhältnissen zur Welt. Die Schwermut der Mutter überschattete seine Jugend. Die Ehe der Eltern war unglücklich. Ida verübelte ihrem Mann Emil den sozialen Abstieg. Ihren ganzen Ehrgeiz richtete si