Ærø

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Wie fühlt es sich an, mit Mitte 50 etwas ganz Neues zu beginnen? Von der Großstadt auf eine Insel zu ziehen, in einem anderen Land? Hier erzählt Silvia Weihermüller von ihrem Leben auf der dänischen Trauminsel Ærø

Seelenruhe. Wenn ich Ærø mit einem Wort beschreiben müsste, dann wäre es das. Ich blicke auf den Leuchtturm, auf grüne Wiesen und Felder. Auf Bauernhäuser. Schaue ich nach links, sehe ich das Meer. Schaue ich nach rechts, sehe ich das Meer. Wenn es hier leise ist, ist es wirklich leise. Und die Dunkelheit erst! Kein Neonlicht stört sie. Ærø wirkt auf mich wie eine Zeitschleuse. Alles hier ist so anders. So langsam. Entspannt. Wie eine längst vergessen geglaubte Welt – sie wiederzuentdecken, die Natur, das Leben, mich, das wärmt meine Seele. Weil Zeit hier zeitlos ist. Ærø liegt in der Ostsee. Diese Insel zeigt mir jeden Tag, dass es keine Grenzen gibt. Nur Weite bis zum Horizont.

Auf der Suche nach einem neuen Maß

Es begann vor drei Jahren: Mein Mann Guido und ich, wir waren Dokumentarfilmer. Lebten in Hamburg. Die Hektik der Stadt, unsere Arbeit – sie bestimmten unseren Puls. Heute hier, morgen da, sieben Tage die Woche, das hat Spaß gemacht. Bis es bei Tempo 180 eine Vollbremsung gab: die Corona-Pandemie. Den totalen Stillstand. Wir redeten viel. Reflektierten. Was hatten wir erreicht? Wohin wollten wir? Jetzt, mit Mitte 50? Immer häufiger tauchte das Wort „Suche“ in unseren Gesprächen auf: Wir suchten ein neues Maß, eine neue Identität. Einen Ort der Möglichkeiten, an dem wir etwas bewegen, etwas ausprobieren können. Uns ausprobieren können. So kam Ærø ins Spiel: Die dänische Insel liegt drei Stunden von Hamburg entfernt. Erst geht’s nach Flensburg, von dort sind es noch 60 Kilometer bis Fynshav. Hier legt „Ellen“ ab, eine Elektro-Fähre. Schon diese Anreise macht etwas mit dir. Die Wellen der Ostsee, die Möwen im Wind. Das Festland, das immer kleiner wird. Und mit ihm die kreisenden Gedanken in deinem Kopf. 50 Minuten später bist du auf Ærø, der kleinen Schwester von Fünen in der Dänischen Südsee. Sie hat 6000 Einwohner, ist dreißig Kilometer lang und bis zu sechs Kilometer breit. „Ellen“ geht in Søby vor Anker. Hier gibt es „Finns Baggeri“ (eine Bäckerei), einen Geldautomaten, einen Minigolfplatz und einen „Loppe Market“, so etwas wie ein Flohmarkt. Viele kleine, alte Häuser. Manche schick renoviert, die meisten jedoch nicht. Nur ein Stückchen weiter haben wir einen Biohof gekauft: mit einem hellen, freundlichen Haus, verwildertem Garten, einer Blumenwiese, üb