DIE EDLE REBELLIN Leonora Carrington

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Schon als Kind sieht sie die Welt mit eigenen Augen, bewohnt einen Kosmos aus Fabelwesen. Früh kämpft sie dafür, eine freie Frau zu sein. Ihre Freunde: Picasso, Miró, Dalí. Ihre erste Liebe: Max Ernst. Als er im Krieg verhaftet wird, verliert sie den Verstand. Das Leben und die Kunst der Leonora Carrington

TEXT JUTTA JUNGE KUNST © VG BILDKUNST, BONN 2024:S. TEMPLE OF THE WORD, 1954, S. MILK OF DREAMS(DETAIL), DIE RIESIN (DIE HÜTERIN DES EIES), UM 1947,DIE MAGISCHE WELT DER MAYA, 1963/64 FOTO BPK/MÜNCHNER STADTMUSEUM/ARCHIV LANDS-HOFF LEE MILLER KATIE HORNA

Unser Heft-Thema: Finde deinen Weg

Die Welt, die in ihr lebte, war größer als die Welt, in der sie lebte: So könnte man die farbenprächtige Biografie der Künstlerin Leonora Carrington umschreiben. Aus ihren mentalen Landschaften heraus entstanden mystische Kunstwerke von großer Kraft und Intensität. Dass sie anders war als andere Menschen, zeichnete sich früh ab. Sehr früh.

Mit 11 raucht sie bereits

Leonora wird 1917 in Clayton Green in der Grafschaft Lancashire geboren. Ihre Eltern sind überaus wohlhabend, für die Erziehung der Kinder stellen sie die besten Kindermädchen Englands ein. Die Söhne sind fröhlich und zugänglich, doch niemand kommt dem Wesen des traumbegabten Mädchens nahe. Oft spielt es allein in den düsteren Räumen des großen Herrenhauses Crookhey Hall. Seine Fantasie ist überbordend. Es spricht von Tieren, die sich in Menschen verwandeln, und von Menschen, die zu Tieren werden. Leonora hängt leidenschaftlich an Katzen, Hunden und Vögeln, eine Liebe, die anhält und sich später im magischen Bestiarium ihrer Kunst zeigen wird. Mehr als alles andere liebt sie Pferde, ein Schaukelpferd ist ihr bester Freund. Als sie lesen kann, liest sie ihm Erzählungen von Beatrice Potter und Lewis Carroll vor. Früh erfindet sie eigene Geschichten und schreibt wie Leonardo da Vinci in Spiegelschrift.

So sehr sie das Lesen und Schreiben mag, so stark verabscheut sie den Schulunterricht. Sie ist lustlos und rebellisch. Mit 11 beginnt sie zu rauchen. Wegen ihres unangemessenen Verhaltens fliegt sie bald aus mehreren klösterlichen Internaten. Insgeheim hoffen die Eltern, sie wenigstens gut verheiraten zu können. Doch als Harold und Maurie Carrington ihre Tochter im Jahr 1934 in die Gesellschaft einführen, wird ihnen bald klar, dass sich auch diese Hoffnungen nicht erfüllen werden: Von Anfang an schreckt Leonora, 17 und bildschön, alle Bewerber ab, die ihren Eltern gefallen. Sie will ihre Ruhe haben, will frei sein – und mal