Seelenjahr Die Psychologie der Jahreszeiten

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Wir genießen die ersten Sonnenstrahlen im Frühling, lieben die langen Abende im Sommer, lassen uns von den Veränderungen des Herbstes überraschen und frösteln in der Winterkälte: Wie ein Pendel schwingt unsere Seele Jahr für Jahr im Rhythmus der Jahreszeiten

TEXT JUTTA JUNGE ILLUSTRATION MELISSA MOSS

Frühlingsgefühl, Sommerhoch, Herbststimmung, Winterblues: Wir alle nehmen wahr, dass die Jahreszeiten auf uns wirken. Diejenigen von uns, die sehr feinfühlig sind, erleben den saisonalen Rhythmus in seiner Intensität besonders stark, insbesondere den Wechsel der Jahreszeiten. Neben der bekannten „Wetterfühligkeit“ finden Forscherinnen und Forscher immer mehr Hinweise und Belege dafür, dass die Jahreszeiten sich tiefgreifend auf unsere Biologie auswirken und unsere Wahrnehmung und unser gesamtes Empfinden durchdringen. Das kann die kognitive Leistung ebenso betreffen wie die Lust auf Sex oder den Schlaf-Wach-Rhythmus. Sogar die Wahrnehmung von Farben verändert sich in den unterschiedlichen Jahreszeiten. Vieles, aber bei Weitem nicht alles, lässt sich auf die Wirkung von Hormonen zurückführen. Glückshormone etwa werden verstärkt im Frühling produziert, was mit der steigenden Lichtintensität zusammenhängt. Auch interessant: Japanische Forscher haben festgestellt, dass wir uns bei schlechtem Wetter Dinge besser merken (mehr dazu: im Herbst-Text auf der folgenden Seite). Und Wissenschaftlerinnen der Universität Lüttich haben den Einfluss der Jahreszeiten auf unsere Gehirnfunktionen untersucht – und dabei herausgefunden, dass die kognitive Funktionsfähigkeit unseres Denkorgans saisonalen Schwankungen unterliegt.

Frühling „Das Schöne am Frühling ist, dass er immer dann kommt, wenn man ihn am dringendsten braucht.“

Kaum sind die letzten winterlichen Tage vorüber und das Thermometer klettert in Richtung 15 Grad, bekommen wir Frühlingsgefühle. Amerikaner sprechen von „spring fever“, also Fieber, was die Intensität vielleicht noch besser beschreibt. Damit sie entstehen können, müssen verschiedene Komponenten zusammenwirken, doch Licht ist der Hauptauslöser für die Veränderungen in Körper und Psyche. Es dringt durch die Augen bis ins Gehirn und sorgt so dafür, dass der Körper verstärkt die Hormone Serotonin, Dopamin, und Noradrenalin ausschüttet. Serotonin, bekannt als Glückshormon, hebt die Stimmung. Bei vielen Menschen erzeugt es ein Hochgefühl, das sich mit Verliebtheit vergleichen lässt. Dopamin hat eine stark motivierende Kraft, die uns dazu bringt, Angefangenes