TANTRA Die Revolution des Geistes

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Um es gleich zu sagen: Nein, Tantra hat nicht vor allem etwas mit Sex zu tun. Tatsächlich handelt es sich um eine uralte Geheimlehre, die bis heute als der kürzeste – aber auch gefährlichste – Weg zur Erleuchtung gilt. Warum? Weil Tantra alles, woran wir bisher geglaubt haben, durcheinanderwirbelt – und eine Forderung stellt: Brich die Regeln!

TEXT DOROTHEE TEVES FOTO JOEY LAWRENCE GETTY IMAGES MANUEL UEBLER AQUAMARIN VERLAG

Das Erreichen der Wirklichkeit geschieht nicht durch Selbstkontrolle, asketische Praktiken oder durch Enthaltsamkeit. Sondern durch glühendes Begehren.“ Wie ein Versprechen klingen sie, diese Worte, niedergeschrieben vor mehr als 700 Jahren in den „Mystischen Gesängen“ des Tantra; sie scheinen zu flüstern von sinnlichem Vergnügen und Begierden auf dem Weg zur Erleuchtung. Doch die Wahrheit ist: Sie sind weit mehr. Denn hinter diesen zwei kurzen Sätzen steht vor allem eines – die Aufforderung, alles zu hinterfragen und das Unfassbare zu tun: die Regeln zu brechen. Wirklich zu brechen. Denn das, genau das, ist Tantra – die Revolution des Geistes. Der Begriff „Tantra“ bedeutet übersetzt zunächst Kontinuum, Gewebe, Zusammenhang – meint aber letztlich das, was zur Befreiung führt, oder aber das Große, in dem alles vereint ist. Bereits im 2. Jahrhundert entwickeln sich erste tantrische Strömungen innerhalb des Hinduismus und des Buddhismus; erst ab dem 7. Jahrhundert allerdings erreicht die Lehre ihre volle Ausprägung. Tatsächlich gilt Tantra bis heute als der kürzeste und radikalste Weg zur Erleuchtung – allerdings auch als einer der anspruchsvollsten, den nur wenige bis zum Ende zu gehen in der Lage sind. „Wahres Tantra kann nicht existieren ohne tiefgreifende Verpflichtung, Disziplin, Mut, Courage – und diese wilde, tollkühne, furchtlose Art von Hingabe“, sagte einst der buddhistische Meditationsmeister Chogyam Trungpa. Es wird als „Ritt auf der Rasierklinge“ bezeichnet – die Gefahr, sich im Genuss zu verlieren, ist übergroß. Warum? Weil Tantra vor allem eines will: das Leben leben in all seiner Fülle. „Tantra hat keine bestimmte Weltanschauung. Es hat keine Konzepte, ist keine Philosophie. Es ist nicht einmal eine Religion“, schreibt Osho sehr treffend in seinen Kommentaren zum buddhistischen Tantra. „Tantra misstraut Worten, Theorien, Lehrmeinungen.“ Und weiter: „Tantra liebt, und zwar bedingungslos. Es sagt niemals Nein – zu nichts und niemandem, egal, was es ist, denn alles gehört zum Ganzen, und das Ganze kann nicht existieren, wenn irgendetwas fehlt.“ In genau diesem absoluten, bedingungslosen Ja