Climbing Cholitas Der Traum von grenzenloser Freiheit

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Eine Gruppe von Aymara-Frauen in Bolivien bezwingt die höchsten Anden-Gipfel, ohne dabei ihre uralten Traditionen zu verraten: kraftvoll, leidenschaftlich und leuchtend wie die tausend Farben, die sie mutig und erhobenen Hauptes dem Himmel entgegentragen …

TEXT ASTRID KESSLER FOTO TODD ANTONY/WWW.TODDANTONY.COM YUMNA AL-ARASHI

Nun bitte ich Achachilla und Pachamama um Erlaubnis für den Huayna Potosí!“ Während sie diese Worte spricht, führt Lidia ihre rechte Hand schnell zwischen Stirn und Herz hin und her, sie hält dabei einige Kokablätter. Sie küsst diese Opfergaben, legt wie vor sich in eine kleine Kuhle in der Erde und platziert einen Stein darauf. Dann verspritzt sie etwas geweihtes Wasser aus einer Flasche auf die Erde um sich herum: „Ich hoffe, es wird alles gut, Huayna Potosí, auf dass wir alle einen guten Aufstieg haben.“ Sie trinkt einen kleinen Schluck, sagt dann Amen, und die Frauen um sie herum sagen ebenfalls Amen. Jede von ihnen wird dieses Bittgebet an die Erdgöttin Pachamama und den Berg Achachilla wiederholen. Denn jede nähert sich dem Gipfel mit großer Demut im Herzen – aber auch mit tapferer Entschlossenheit. Denn sie sind die „Cholitas Escaladores“ – die kletternden Cholitas. Diesen Titel tragen die Frauen mit tiefem Stolz – ebenso wie ihre Polleras, ihre wallenden Röcke. Nie würde eine Cholita eine Bergsteigerkluft tragen, so praktisch sie auch sei. „Wir gehen in Polleras klettern, damit die ganze Welt es sehen kann.“ Und zehn Lagen an Röcken halten schließlich genau so warm wie die modernste Funktionsunterwäsche. Die Polleras sollen im Wind der Berge flattern – nur dann sind die Cholitas glücklich. „Dann ist es, als würden wir fliegen“, sagt Lidia Huayllas und strahlt über ihr ganzes, sonnengebräuntes Gesicht.

„Wir Cholitas sind wie Schwestern.“

Sie und die anderen Cholitas gehören zum Volk der Aymara, einer der ältesten noch lebenden Volksgruppen der Hochanden. Sie sind Nachkommen der Tiwanaku-Hochkultur, die lange vor den Inka existierte. Doch die Tradition von Jahrtausenden gilt nichts mehr, als die spanischen Kolonialherren Bolivien und dem Rest Südamerikas ihre Kultur aufzwingen und alles, was anders ist, erbarmungslos unterdrücken. Bis in die 1950er-Jahre werden Aymara ihrer Rechte beraubt, dürfen selbst manche Stadtviertel oder Lokale nicht betreten, verrichten niedere Arbeiten als Bauern, Köchinnen und Diener. „Cholos“ nennt man sie, ein abfälliger Begriff für Menschen mit indigenen Wurzeln. Doch eine Cholita wie Lidia trägt gerade diesen Namen wie einen Ehrentitel, steht er doc