YOGAVon der Befreiung des Geistes

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Er ist die Verbindung mit dem Göttlichen – dem höchsten Selbst. Das ursprüngliche Yoga kennt nur ein Ziel: unsere eigene Verwirklichung. Der US-Fotograf Andy Richter bereiste über fünf Jahre drei Kontinente, um zu ergründen, was Millionen Menschen eint – und wie Yoga sie verändert …

TEXT DOROTHEE TEVES LINA KNOOP FOTO REPORTAGE VON ANDY RICHTER/WWW.ANDYRICHTERPHOTO.COM

REPORTAGE

Yoga verändert nicht unsere Sicht auf die Dinge“, sagte einmal B. K. S. Iyengar, einer der großen Yogis unserer Zeit, „es verändert den Menschen, der sieht.“ Der ayurvedische Arzt Jigar Gor beschreibt es so: „Es geht nicht darum, unsere Zehen zu berühren, sondern vielmehr um das, was wir auf dem Weg nach unten lernen…“ Was also ist Yoga – diese uralte Praxis, von der es heißt, sie zeige uns den Weg zu unserem wahren Sein, zum Kern dessen, was wir wahrhaftig sind? „Yoga ist nicht einfach etwas, was man auf der Matte tut. Yoga liegt in der Natur unserer Beziehungen, in der Art und Weise, wie wir mit anderen interagieren, in unserem Bewusstsein und in unserer Präsenz“, sagt der US-Fotograf Andy Richter. „Es schärft unsere Fähigkeit, klar zu sehen. Es hilft, die Filter zu entfernen, durch die wir die Welt oft wahrnehmen.“ Er selbst praktiziert seit 2004 Yoga, und während sein Wissen in dieser Zeit immer weiter zunimmt, so erkennt er doch, dass zugleich sein Bewusstsein über all das, was sich ihm entzieht, anwächst. Er will die Wurzeln des Yoga erkunden; will erfahren, erleben. Will wissen, was Millionen Menschen eint, die täglich Asanas ausführen, sei es in einem indischen Ashram oder einem Sportstudio in Kalifornien. Insgesamt fünf Jahre lang bereist Andy Richter drei Kontinente. Er verbringt viele Tage in den abgeschiedenen Gebirgshöhlen der asketischen Yogis; lebt in Ashrams und über Monate in einem fadenscheinigen Zelt, um den millionenstarken Yoga-Pilgerungen in Indien beizuwohnen. Und stellt sich dabei immer wieder die eine Frage: Kann Yoga die Welt verändern?

Die vier Pfade der Ewigkeit

Tatsächlich basiert Yoga auf der indischen Philosophie der Vedanta. Ihr Ursprung findet sich in den Upanishaden, deren Alter, je nach Autor, auf mehr als 5000 Jahre geschätzt wird. Seit jeher gelten sie als Grundlage des Yoga und markieren zugleich den Beginn der indischen Literatur. In der Vedanta werden dabei zwei Welten unterschieden: Zum einen unsere wahrgenommene Erscheinungswelt, die vergänglich ist – sie umfasst unseren Körper, Beziehungen, Besitz und Natur. Unsere geistige Existenz hingegen stellt die andere Welt dar. Sie ist unvergänglich, über alle Maßen unsterbli