„Bewahre dir das Feuer, - im Denken und im Empfinden“

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Isabel Allende ist 80 Jahre alt geworden: Hier erzählt die Bestseller-Autorin exklusiv über die Weisheit des Lebens, über das Schicksal und von der immerwährenden Magie der Liebe

INTERVIEW SYLVIA NAUSE-MEIER FOTO EPA IMAGES SHUTTERSTOCK

ISABEL ALLENDE

Violeta“ – Ihr neuer Roman – erzählt von einem verzogenen, wohlbehüteten Mädchen, das zu einer starken Frau reift, die sich mutig den Tragödien und Krisen entgegenstellt. Wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken, Isabel, welche Gedanken kommen Ihnen in den Sinn?

Dass unser Leben voller Begegnungen und Abenteuer ist. Da sind Pfade, die sich im Nirgendwo verlieren. Freudige Ereignisse. Schicksalsschläge – Leben geschieht. Manchmal kniest du am Boden. Und die Erde dreht sich weiter, als sei nichts geschehen.

Was hat Ihnen in solchen Momenten geholfen?

Das mag jetzt banal klingen, aber: Aufstehen. Einen kleinen Schritt tun – und einen zweiten. Die Stimme wiederfinden und dem Schicksal antworten. Stets in dem Wissen, dass alles ein Pendel ist und nichts ewig währt. Diesen Gedanken finde ich sehr tröstlich …

… sind Sie mutiger geworden?

Vielleicht, indem ich versuche, dem Leben mehr zu vertrauen: Es übernimmt die Führung, während es dich auf die Probe stellt. Du machst einfach weiter, lässt dich vom Leben mitziehen. Unterwegs spürst du plötzlich, dass du viel mehr Kraft in dir trägst, als dir jemals bewusst war. Eines habe ich gelernt: Es wird immer Licht geben, viel Licht. Die Böen der Ungewissheit legen sich wieder.

Empfinden Sie sich als weise?

Ich bin oft mit dem Kopf gegen die Wand der Wirklichkeit gerannt …

… was machen Sie heute anders?

Ich habe mir eine gewisse Demut angeeignet.

Was heißt für Sie „weise“?

Zu erkennen, dass ich etwas nicht weiß – und dann: zu fragen. Weisheit ist Lernen. Neugierig sein. Um Rat bitten. Erfahrungen machen und sie auch zulassen. Vor allem aber: Sich das Feuer bewahren – im Denken und im Empfinden.

Wie sind Sie zu mehr Demut gelangt? Wann spüren Sie die besonders?

Jeden Morgen. Ich springe nicht sofort aus dem Bett, sondern genieße eine Weile die Stille des beginnenden Tages – und bin dankbar. Ich danke dem Universum, meinem Leben, dem Schicksal für alles, was ich habe. Ich erinnere ich mich an den Tag zuvor: Was war gut, was nicht so? Was hat mich berührt? Wofür schlägt mein Herz? Ich sammle meine Kraft, meine Träume, meine Gedanken, bin ganz bei mir und dem neuen Tag. Das ist meine Art zu beten.

Glauben Sie an Schicksal?

Ich wurde katholisch erzogen. Es war ein ständiges Feilschen mit dem Himmel. Durch Bittgebete, Rosenkränze, Kerzen und Messen, durch die