„ Beschütze deine Träume“

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„Bitte, gib mir nur ein Wort“ sang Judith Holofernes (46) mit ihrer Band „Wir sind Helden“ – sie schlich sich damit in unsere Herzen und in die Charts. Und das eine Wort, es schien „Erfolg“ zu heißen. Zehn Jahre später ist sie verloren, ausgebrannt, kaputt. Sie begibt sich auf die Suche nach dem Leben, das sie eigentlich führen möchte, nach der Künstlerin, die sie eigentlich sein will …

INTERVIEW SYLVIA NAUSE-MEIER FOTO JONAS HOLTHAUS/LAIF RAINER WINDHORST PRIVAT PR

JUDITH HOLOFERNES

Die Träume anderer Leute“ – so heißt Ihr Buch. Was haben Sie über das Träumen gelernt, Judith?

Dass Träume beschützt gehören – vor ihren Doppelgängern, ihren Nachbarn. Dass die Träume der anderen von deinen manchmal nicht so leicht zu unterscheiden sind, weil sie eng beieinander liegen. Deshalb lässt du dich vielleicht zu dem Traum ein bisschen links von deinem überreden, weil der gesellschaftsfähiger ist oder irgendwie einfach besser ins Konzept passt. Ich hatte mich in diesem Netz aus Träumen verheddert.

Wovon träumten Sie?

Ich wollte Rockstar werden, seit ich zwölf Jahre alt war und meine Mutter mir die ersten Gitarrenakkorde beigebracht hatte – in unserem kleinen Badezimmer, wegen der hübschen Akustik. Meine Idole waren Elvis Costello, Patti Smith und David Bowie. Ich wollte tiefe, große, wichtige Songs schreiben. In Schwarz-Weiß-Dokus vorkommen, in denen ich mit bedeutenden Künstlern cool und schlau und sexy in verrauchten Wohnzimmern sitze. Ich wollte nah ans Feuer. Seit ich die Ramones im Fernsehen gesehen hatte, wusste ich, dass ich diese Art von Hitze erzeugen wollte …

… und das haben Sie: mit Ihrer Band „Wir sind Helden“.

Ich habe sie mit sturer Hingabe geliebt. Bin bis heute stolz auf alles, was wir geschaffen haben. Wir waren auf märchenhafte, schwerkraftleugnende Weise zu Erfolg gekommen, mit reinem Herzen und reiner Weste. Wir haben einander wirklich gemocht, oft mit Augenrollen, manchmal mit dickem Hals, aber immer mit einem Gefühl von ungläubiger Dankbarkeit und Verbindung.

Was ist dann schiefgegangen?

Zehn Jahre später war ich meiner selbst müde, meines Spiegelbilds, meiner Stimme, meiner Klugheit, meiner Knopfäugigkeit, meiner Omnipräsenz. Ich war müde, mich selbst als Produkt zu betrachten. Der Kontrast zwischen meinen Texten und meiner Selbstausbeutung erschien mir immer zynischer. Ich hatte mich wund gearbeitet, wund geredet, und ich schämte mich dafür. Schämte mich, dass ich es nicht geschafft hatte, all den Rückenwind und die Magie, die jugendliche Weisheit und Poesie in dauerhaftes Glück zu übersetzen.

Warum ist Ihnen das nicht gelunge