SO LEICHT KANN MAN(N) ZUM STALKINGOPFER WERDEN

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Schon „Rentierbaby“ auf Netflix geguckt? Nein?! In der Serie (nach einer wahren Story) geht es um eine Stalkerin, die ihrem Schwarm das Leben zur Hölle macht – aber dabei selbst genauso leidet, wie ein Experte uns erklärt hat. Unbedingt ansehen!

EIGENTLICH WOLLTE ER IHR NUR AUS MITLEID EINEN TEE AUSGEBEN – DANN HATTE ER DEN SALAT! Der erfolglose Standup-Comedian Donny hält sich als Barkeeper über Wasser, als plötzlich Martha Scott in den Pub und in sein Leben stolpert: einsam, übergewichtig, am Boden zerstört. Ihr Portemonnaie hat sie auch noch vergessen. Klar, dass da der Tee ausnahmsweise aufs Haus geht! Hätte Donny jedoch geahnt, was seine nette Geste in Martha auslöst, hätte er es sich bestimmt anders überlegt: Denn ab jetzt ist die fast zwanzig Jahre ältere Frau geradezu besessen von Donny, nennt ihn liebevoll ihr „Rentierbaby“, bombardiert ihn täglich mit hunderten von E-Mails und Textnachrichten, sitzt den ganzen Tag bei ihm an der Theke und später sogar an der Bushaltestelle vor seinem Haus – und schreckt letztlich auch vor Gewalt nicht zurück.

Creepy, oder? Und das Krasse an der Geschichte: Sie ist wahr!

Richard Gadd, der das Drehbuch zu dem Netflix-Serienhit geschrieben und auch die Hauptrolle übernommen hat, wurde tatsächlich vier Jahre lang von einer Frau gestalkt. Das Kabinett des Grauens umfasst 41 071 E-Mails, 350 Stunden Sprachnachrichten und 744 Tweets!

„Rentierbaby“ ist Gadds Versuch, das Erlebte aufzuarbeiten – und das ist ihm ganz wunderbar gelungen! Die Serie ist spannend, lustig, tragisch – teilweise aber auch extrem verstörend. Denn (Spoiler Alert!) zwischen Donny und seiner Stalkerin Martha entwickelt sich ein bizarres Abhängigkeitsverhältnis: Ein wenig genießt der Außenseiter es nämlich auch, von jemandem gesehen und bewundert zu werden. „Hä?“, denkt man als Zuschauer mehr als einmal, wenn das klassische Täter-Opfer-Klischee komplett verschwimmt.

„So eine Ambivalenz kann bei manchen Betroffenen schon mal vorkommen“, erklärt Psychotherapeut Wolf Ortiz-Müller, der mit „Stop-Stalking“ in Berlin eine Anlaufstelle für Betroffene gegründet hat – und zwar sowohl für Gestalkte als auch für Stalker. „Wenn man sonst eher erfolglos ist, kein intaktes soziales Umfeld hat, und einem dann plötzlich so viel Aufmerksamkeit zuteilwird, kann es das Selbstwertgefühl steigern. Donny würde ich raten, einmal genau hinzuschauen, welches tiefere Bedürfnis nach Gesehenwerden es da bei ihm gibt“, sagt der Experte.

STALKERIN Martha (Jessica Gunning) ist sich sicher, dass sie und Donnie füreinander bestimmt sind – er weiß es nur noch nicht

Oh ja, genauer hinschauen tut Richard Gadd in der Serie tatsächlich: Als Donny legt er einen unglaublichen Seelen-Striptease hin – denn Marthas Psychoterror ist bei Weitem nicht das Schlimmste, das ihm in seinem Leben p

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