Jede Einzelne zählt

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Bei den vielen Statistiken zu Flüchtenden, die wir hören, kommen sie oft zu kurz: die persönlichen Geschichten vor allem von Frauen und Kindern auf ihrem Weg in ein sicheres Leben. Geschichten wie die von Pascaline

Pascaline Sandjo verabschiedet sich am Morgen vor der Schule von ihrer Tochter Angela. Dank dem Engagement des Hilfsvereins Just Human e. V. kann das Mädchen in Athen den Unterricht besuchen
Fotos: Tessa Kraan

Wie fast jeden Tag trägt Pascaline Sandjo einen schwarzen Jogginganzug. Die geflochtenen Zöpfe der schwarzen Perücke hat sie im Nacken zusammengebunden, immer wieder rutscht eine Strähne heraus. Sie sieht müde aus. Heute Morgen war es nicht leicht, ihre sechsjährige Tochter Angela aus dem 1,20 Meter breiten Bett zu bekommen, das sie sich teilen, und für die Schule fertigzumachen. Bevor Pascaline ihre Tochter in einigen Stunden wieder abholen wird, bereitet sie das Essen zu: Hähnchen mit Reis, ein Gericht aus ihrer Heimat Kamerun – das hatte sich Angela gewünscht.

Elka Edelkott, Gründerin des Vereins Just Human e. V.
Pascaline Sandjo aus Kamerun.
Angela zeigt auf dem Nachhauseweg ihrer Mutter und Anwältin Eleni Serri, die für die Familie längst mehr als „nur“ eine Anwältin ist, was sie in der Schule gemalt hat

Es sind wenige Momente wie dieser, im Maison Charlotte, einem Schutzhaus in Athen für geflüchtete Frauen und ihre Kinder, in denen sich Pascaline ihrer Heimat etwas näher fühlt. Wenn sie Gewürze in einem alten Joghurt-Eimer mischt, das Fleisch wäscht, schneidet und mariniert, wie sie es auch in ihrer Heimat tat und dabei auf ihrem Handy afrikanischen Pop hört, die Hüfte zum Takt schwingt und ihre Lippen leise den Liedtext formen.

Pascaline verbindet mit ihrer Heimat Kamerun allerdings nicht nur schöne Erinnerungen. Im Nordwesten des Landes herrscht seit 2016 ein blutiger Bürgerkrieg, im Norden leiden die Menschen unter Dürren und im Osten fliehen Hunderttausende aus der angrenzenden Zentralafrikanischen Republik vor einem anderen Krieg über die Grenze. Die größte Krise spielt sich für Frauen und Mädchen jedoch oft in den eigenen vier Wänden ab: Genitalverstümmlung, Vergewaltigung, Zwangsheirat.

2017 flieht Pascaline aus Kamerun und steigt in ein Boot, das sie von der Türkei über das Mittelmeer nach Griechenland bringen soll. Etwa zur selben Zeit sitzt eine andere Frau in ihrem Haus in Stuttgart und merkt, wie sie die Nachrichten über das Leid, das sich tagtäglich auf Flüchtlingsbooten und in Auffanglagern zuträgt, immer schlechter ertragen kann. Elka Edelkott, eine kleine Frau mit ruhiger Stimme und kurzen weißen Haaren, hat sich in den vergangen Jahren viel engagiert. Aber sie hat auch gesehen, wie sich Arme, die man 2015 an den europäischen Grenzen offen hielt, wieder schlossen, wie aus Zuversicht Angst und aus Toleranz Hass wurde. Wie die Zahlen d

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