Die Zinsen müssen jetzt runter“

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INTERVIEW

Der Wirtschaftsexperte Heiner Flassbeck analysiert, warum Deutschlands Wettbewerbspolitik internationale Konsequenzen hat und wo die Zinspläne der EZB unstimmig sind

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Deutschland ist wieder der kranke Mann Europas. Aber Wirtschaftsminister Robert Habeck packt jetzt den „Reform-Booster“ aus und will Deutschlands Wettbewerbsfähigkeit steigern. Klingt doch super, oder?

Heiner Flassbeck: Ach herrje, Deutschland und seine Angebotspolitik... Das klingt wie vor 40 Jahren und wie vor 20 Jahren. Immer, wenn kein Geld da ist, dann macht man Reformen, um die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern. Unsere Nachbarn und Wirtschaftspartner müssen in Deckung gehen, wenn Deutschland anfängt, Reformen auf den Weg zu bringen. Denn sie werden die Quittung dafür bekommen. Die Ironie daran ist, dass Deutschland sehr wettbewerbsfähig ist und durch die aktuelle Lohnentwicklung sogar noch besser wird.

Sie spielen auf die Reformen der Regierung Kohl und der Agenda 2010 von Gerhard Schröder an. Aber die haben doch funktioniert. Danach ging es für Deutschland aufwärts.

Flassbeck: Naja. Die sogenannten Reformen unter Kohl waren oft nur Show. Was aber in den 1980er-Jahren funktionierte, war die starke Abwertung der D-Mark, die zu einem Export-Boom und hohen Leistungsbilanzüberschüssen führte – bis die Amerikaner dann massiv intervenierten und der Dollar in der Folge wieder abwertete. Vor 20 Jahren war es dann die rot-grüne Koalition, die Reformen machte, weil sie kein Geld hatte und nicht wusste, was sie sonst machen sollte. Das hat funktioniert und der deutsche Leistungsbilanzüberschuss ist dramatisch in die Höhe gegangen. Und er ist auch heute noch sehr hoch.

Aber Deutschland fällt doch angeblich so stark zurück.

Flassbeck: Die neuesten Zahlen belegen etwas anderes. Der deutsche Leistungsbilanzüberschuss erreichte im vergangenen Jahr 280 Milliarden Euro, was fast sieben Prozent des Bruttoinlandsprodukts entspricht und gegen alle europäi- schen Regeln verstößt. Und die Regierung erwartet sogar noch weitere Steigerungen. Man stelle sich vor, was los ist, wenn wir nicht sieben Prozent Überschuss erwirtschaften, sondern vielleicht zwölf Prozent. Das ist vollkommen unmöglich.

Warum?

Flassbeck: Weil wir unsere Handelspartner damit erd

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