Von kurzen Beinen und langen Schatten

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AUSBLICK

EINE KOLUMNE VON UNION INVESTMENT

Die Geopolitik wird das Kapitalmarktjahr 2024 mitprägen. Es steht ein globales Superwahljahr vor dem Hintergrund zweier Kriege mit weltweiter Ausstrahlung an. Je nach Wahlausgang könnten die Auswirkungen auf die Finanzmärkte erheblich sein. Wichtiger noch als die kurzfristigen Folgen für die Kapitalmärkte sind die langfristigen Konsequenzen.

Politische Börsen haben zwar kurze Beine – aber manchmal werfen Wahlen auch lange Schatten voraus. Die Wahl zum Europäischen Parlament vom 6. bis zum 9. Juni dürfte typischerweise kaum mehr als einen kurzfristigen Effekt auf die Kapitalmärkte haben. Allerdings steht die Europäische Union (EU) derzeit vor vielen Herausforderungen. Denn die Wettbewerbsfähigkeit Europas ist angeschlagen. Zudem haben sich die geopolitischen Rahmenbedingungen verändert. Die Weltordnung ist heute durch die Rückkehr des Großmachtwettbewerbs zwischen den USA und China geprägt. Die EU tut sich schwer damit, hier eine einheitliche Position zu entwickeln und entschlossen die Konsequenzen daraus zu ziehen. Schließlich stehen der transatlantischen Anbindung an die Vereinigten Staaten wirtschaftliche Interessen in China gegenüber. Diese offene Frage der Verortung zwischen zwei rivalisierenden Machtblöcken hat unmittelbare Auswirkungen auf die EU-Wirtschaft und hemmt das Wachstumspotenzial der Unternehmen.

Bei der Europawahl im Juni könnten nach aktuellen Umfragen rechtspopulistische Kräfte gestärkt werden. Eine solche Machtverschiebung dürfte die EU bei der Lösung ihrer Probleme weiter hemmen. Insbesondere bei der Unterstützung der Ukraine, der Förderung der grünen Transformation und der Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit könnte eine Blockade drohen. Der Wahlausgang dürfte zwar kaum kurzfristige Auswirkungen auf die Finanzmärkte haben. Strukturell könnte aber die Wettbewerbsfähigkeit der EU leiden.

US-Wahl beeinflusst Kapitalmarktstimmung. Zudem bestimmt der Wahlkampf um das US-Präsidentschaftsamt das Kapitalmarktsentiment mit. Unser wahrscheinlichstes Szenario ist entgegen den aktuellen Umfragen ein Sieg von Amtsinhaber Joe Biden und damit eine Fortführung der aktuellen Außen- und Wirtschaftspolitik. Für die Kapitalmärkte wäre diese Berechenbarkeit eine gute Nachricht.

Besonders im Fokus der Finanzmärkte steht die Frage, was im Falle eines Wahlsiegs seines voraussichtlichen republikanischen Gegenkandidaten Donald Trump zu erwarten ist. Sollte Trump die Wahl gewinnen, wären aus Kapitalmarktsicht weitreichende Folgen zu erwarten. Denn: Eine zweite Amtszeit dürfte in vielerlei Hinsicht drastischer ausfallen, da kaum noch dämpfende Einflüsse vorhanden sind. Während in der ersten Amtszeit moderate Stimmen die radikalsten Ausprägungen seiner Agenda noch einbremsten, würden Trumps Pläne in einer zweiten Amtszeit von extremen

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