Fünf nach zwölf

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Nach dem Angriff Irans auf Israel droht eine Eskalation in Nahost. Beide Länder fühlen sich stark, weil sie die USA als geschwächt empfinden

Angriff der Mullahs Eine der etwa 170 Drohnen startet von Iran aus in Richtung Israel. Die Attacke wurde zu 99 Prozent abgewehrt
Foto: Tasnim News Agency /Zuma Press/dpa Mitarbeit: Hassan Abdullahi

An diesem Freitag sind es noch 5735 Tage. In großen roten Ziffern zeigt eine Digitaluhr auf einem Platz mitten in Teheran, wann es mit Israel zu Ende geht. 2017 wurde die Uhr in der iranischen Hauptstadt aufgestellt. Zwei Jahre zuvor hatte der Oberste Führer Irans, Ajatollah Ali Chamenei, öffentlich erklärt, dass Israel spätestens bis 2040 vernichtet sein würde.

Seit dem vergangenen Wochenende, seit dem massiven Angriff auf Israel ist allerdings klar: Die Mullahs in Teheran sind bereits jetzt an einer Eskalation interessiert. Als in der Nacht von Samstag auf Sonntag die Drohnen und Raketen flogen, ließ Chamenei über den Kurznachrichtendienst Xein Video aus Jerusalem posten – im Vordergrund der Felsendom auf dem Tempelberg, am Himmel darüber die Feuerschweife der Raketen. Und dazu schrieb er: „Al-Quds (arabischer Name für Jerusalem) wird in den Händen der Muslime sein, und die muslimische Welt wird die Befreiung Palästinas feiern.“

Aus dem Schatten auf die Bühne

Erstmals in der Geschichte des Nahostkonflikts hat Iran den jüdischen Staat, dem er seit Jahrzehnten mit Auslöschung droht, direkt attackiert. Mehr als 170 mit Sprengstoff beladene Drohnen, mehr als 120 ballistische Raketen, mehr als 30 Marschflugkörper flogen in Richtung Israel. Und auch wenn die meisten Raketen und Drohnen abgefangen wurden; auch wenn der direkte Schaden in Israel sehr klein gewesen sein mag – die langfristigen geopolitischen Folgen sind gewaltig.

Zu Beginn der Woche hatte das israelische Kriegskabinett um Premierminister Benjamin Netanjahu noch nicht entschieden, wann man militärisch zurückschlagen werde – und wie. Ein Gegenangriff ist wahrscheinlich. Aber auch ohne eine direkte Antwort Israels hat der Nahostkonflikt jetzt eine neue Stufe erreicht.

Jahrzehntelang bekämpften sich Israel und Iran nur im Schatten, über Stellvertreter oder an Orten außerhalb beider Länder. Nun findet der Konflikt auf offener Bühne statt. Iran hat gelernt, dass man Israel angreifen kann. Israel hat den iranischen Angriff erfolgreich abgewehrt und fühlt sich, nach all der internationalen Kritik am Vorgehen in Gaza, wieder unverwundbar und stark – und es kann durchaus sein, dass der angeschlagene Premier Netanjahu das ausnutzen wird.

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