„Putin nutzt jede Schwäche“

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Krieg in Nahost, ein blutiges Patt in der Ukraine und eine Bundeswehr im Umbruch. Verteidigungsminister Boris Pistorius ist zur Schlüsselfigur im Kabinett von Kanzler Olaf Scholz geworden. Zeit für eine Lagebesprechung

Befehlshaber Boris Pistorius hat Verantwortung für mehr als 180 000 Soldaten
FOTOS VON MARKUS JANS

Wer Boris Pistorius im Ministerium besucht, muss erst an kunstvoll geschwungenen Säbeln vorbei. Sie werden in Vitrinen aufbewahrt – Gastgeschenke, die man in diesem Amt als Souvenirs bekommt, wenn man die Welt bereist.

In den Schlachten der Gegenwart werden weit grausamere Mittel eingesetzt. Gerade erst hat der Iran mit 300 Drohnen und Raketen Israel attackiert, in der Ukraine intensiviert Wladimir Putin im dritten Jahr den Angriffskrieg mit immer brutalerem Bombardement aus der Luft, Huthi-Terroristen feuern aus dem Jemen, Cyberangriffe rollen durchs Netz – so sieht sie aus, die neue Zeit, mit der es Deutschland und seine Bündnispartner zu tun haben.

Noch ist nicht klar, welche Folgen die Eskalation im Nahen Osten für die Bundesrepublik haben wird. Zwar gilt: Die Sicherheit Israels ist deutsche Staatsräson. Aber was wird das konkret heißen, wenn der Konflikt mit dem Iran zum Flächenbrand mutiert? Boris Pistorius führt in diesen Tagen viele Gespräche – im Krisenstab der Bundesregierung, mit seinen Vertrauten im Ministerium, mit den Verbündeten weltweit. Auch die Lage in der Ukraine eskaliert. Dem Westen muss dringend gelingen, die Luftverteidigung des verzweifelten Landes zu verstärken. Die Bundeswehr ist also gefordert wie nie – und nach wie vor in schwierigem Zustand.

Wie lange wird es dauern, bis Deutschland „kriegstüchtig“ ist? Was wird das kosten? Und wie gefährlich ist die Schwäche bis dahin? Der Minister nimmt sich einen Kaffee – und das Gespräch beginnt:

Auf Übung Pistorius unterwegs mit der Panzertruppe
Foto: Martin Meissner/AP Photo

Herr Pistorius, gibt es Momente, in denen Sie Angst haben vor dem, was am nächsten Tag passieren könnte?

Nein, Angst ist bekanntlich ein schlechter Ratgeber. Und doch leben wir in keiner unbeschwerten Zeit. Es gibt immer wieder Momente, in denen ich mir Sorgen mache.

Dann liegen Sie wach?

Ich habe das große Glück, dass ich nachts gut schlafen kann und morgens ausgeruht aufwache. Gelegentlich ertappe ich mich dabei, dass ich am Morgen aufs Handy schaue und hoffe, dass mich keine schlechten Nachrichten erwarten.

Weil wir inzwischen alles für möglich halten müssen?

Die Bedrohungslage hat sich in den vergangenen Jahren verschärft. Wir müssen mit Entwicklungen und neuen Lagen umgehen, die wir uns vor einiger Zeit nicht hätten vorstellen können. Autokraten in aller Welt stellen die regelbasierte internationale Ordnung infrage, Demokratien stehen unter Druck, milit�

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