Mein Chef, mein Vermieter

5 min lesen

Unternehmen suchen Fachkräfte. Fachkräfte suchen Wohnungen. Immer mehr Arbeitgeber setzen aufs Konzept Mitarbeiterwohnen und wollen so gleich zwei Probleme auf einmal lösen. Erlebt die Werkswohnung der Siebzigerjahre gerade ein Comeback?

Neue Heimat Die Pflegerin Ranine Jemai genießt ihren Balkon. Im März zog sie in ein Apartment ihres Klinik-Arbeitgebers
Fotos: Nico Kurth für FOCUS-Magazin

Ein Zimmer, Küchenzeile, Bad: auf 25 Quadratmeter hat sich Ranine Jemai ihr neues Leben eingerichtet. Die 30-Jährige tritt mit einem Lächeln heraus auf den Balkon – ihr persönliches Highlight der Wohnung – und genießt die Sonnenstrahlen. Heute ist ihr freier Tag. Am Wochenende muss die Pflegefachkraft arbeiten. Dass dabei für sie die Wege kurz bleiben, liegt auch an ihrer Wohnung, die Eigentum des Klinikums Stuttgart ist.

In Deutschland entstehen derzeit immer mehr dieser sogenannten „Werkswohnungen“. Der Begriff mag veraltet klingen, das Konzept ist dagegen in Zeiten akuter Immobilienkrisen hochaktuell. Schließlich stellt es eine mögliche Lösung dar für zwei gleichermaßen drängende Probleme: Fachkräftemangel und Wohnungsnot.

Auf 25 Quadratmeter lebt Ranine Jemai in Stuttgart. Die Möbel sind ihre eigenen

So berichten 54 Prozent der Unternehmen von einem Bewerbermangel. Gleichzeitig fehlen in deutschen Großstädten etwa 1,9 Millionen günstige Wohnungen. Oft ist es gerade dieser Mangel, der Fachkräfte davon abhält, für eine neue Stelle umzuziehen.

Das haben auch viele Arbeitgeber wie das Klinikum Stuttgart, aber auch VW, Bosch oder Beiersdorf erkannt und versuchen nun, Fachkräfte mit der Aussicht auf Job und Wohnung zu locken. Wird das Mitarbeiterwohnen also wieder massentauglich?

In Stuttgart glaubt man jedenfalls an das Konzept. Rund tausend Fachkräfte können in den Unterkünften des Klinikums wohnen. Erst diesen Monat wurden rund 170 neue Wohnungen eröffnet. Alle entstanden in nur zehn Monaten durch nachhaltige, modulare Holzbauweise. Das ging auch dank kommunaler Zuschüsse.

Die Bewohner profitieren nun von subventionierten Mietpreisen, die abhängig sind von ihrem Einkommen. „Die Personalwohnungen sind ein wichtiger Baustein, um als Arbeitgeber attraktiv für Mitarbeitende zu sein“, erklärt Klinik-Sprecher Stefan Möbius.

1,9 Millionen günstige Wohnungen fehlen in Deutschlands Großstädten
Arbeit im Blick Unterm Kempinski Berchtesgaden entstanden eigene Mitarbeiterwohnungen

Nicht nur für Ranine Jemai war das Konzept überzeugend. Sie zahlt 460 Euro Miete. „Für diesen Preis hätte ich niemals eine Wohnung in Stuttgart gefunden“, sagt sie. Die private Wohnungssuche beschreibt die Pflegerin als „schlimm“. Aus mehreren Jobangeboten hat sie sich schließlich auch deshalb für das Klinikum Stuttgart entschieden, weil ihr damit eine Wohnung sicher war. „Das spielte eine große Rolle“, s

Dieser Artikel ist erschienen in...