„Wladimir Putin will keinen Frieden. Er ist ein Lügner“

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Wie lange hält die Ukraine durch? Und wie könnte der Krieg mit Russland enden? Ein Interview mit der ukrainischen Friedensnobelpreisträgerin Oleksandra Matwijtschuk

Botschafterin des Friedens Die Juristin Oleksanda Matwijtschuk, 40, setzt sich für Menschenrechte und Demokratie ein
Fotos: Sophie Kirchner/laif, AP Photo/Efrem Lukatsky

Sie wollte eigentlich Theater-produzentin werden, doch um die Menschenrechte zu schützen und gegen die Ungerechtigkeit in ihrem Land besser kämpfen zu können, wählte sie das Jurastudium. Die Ukrainerin Oleksandra Matwijtschuk wurde 1983 geboren, als ihr Land noch Teil der Sowjetunion war. 2007 begann sie, für die Organisation Center for Civil Liberties in Kiew zu arbeiten – 2022 erhielt sie für ihr Engagement den Friedensnobelpreis.

Die heute 40-Jährige dokumentierte die Gewalt der Polizei bei den friedlichen Demonstrationen auf dem Maidan 2013. Sie gründete eine Initiative, um Vermisste zu suchen, und organisierte Hilfe für politische Gefangene in Russland. Seit dem Angriffskrieg des Kremls auf die Ukraine im Februar 2022 hilft sie, Beweise für die Entführungen, Vergewaltigungen und Verstümmelungen zu sichern, die die Russen ihren Landsleuten zufügen. Eine Aufgabe, die sie persönlich emotional sehr stark belastet, das ist auch bei dem Gespräch in London nicht zu übersehen. Sie wirkt blass und erschöpft. Seit Tagen reist sie um die Welt und wirbt um Hilfen für die Ukraine. Die Debatte über das „Einfrieren“ des Konflikts geht ihr besonders nahe, denn sie käme einer Kapitulation gleich – und würde ihre monatelange Arbeit zunichtemachen.

Frau Matwijtschuk, wie könnte denn ein Frieden mit Russland aussehen?

Der russische Präsident Wladimir Putin will keinen Frieden. Er will seine militärischen Ziele erreichen, und dabei geht er pragmatisch vor. Und: Wladimir Putin ist ein Lügner. Noch im Januar 2022 versprach er den Deutschen, er werde die Ukraine nicht angreifen. Einen Monat später geschah genau das. Wie soll man mit so einem Mann Frieden schließen? Wie alle autoritären Anführer respektiert Putin nur das Recht des Stärkeren. Er hat keinen Respekt für all jene, die sich an internationale Regeln und Abkommen halten.

Sie halten also nichts davon, den Krieg entlang seiner aktuellen Front „einzufrieren“, wie es auch in Deutschland immer wieder gefordert wird?

Angenommen, man würde sagen: Überlasst Putin doch die besetzten Gebiete, dann wird er schon Ruhe geben. Das wäre ein Trugschluss. Putin wird nicht von allein haltmachen, er muss gestoppt werden. 2014 besetzte Russland die Krim und die Regionen rund um Luhansk und Donezk. Und was geschah danach? In den folgenden acht Jahren baute Russland mächtige Militärbasen in den Gebieten, um von dort aus die Invasion der gesamten Ukraine zu starten.

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