Das mörderische Patt

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Russland und die Ukraine zermürben sich in einem Stellungskampf – während die Welt nach Friedensoptionen sucht. Wie sehen die Szenarien für ein Ende des Krieges aus?

Als Wolodymyr Selenskyj 2019 Präsident der Ukraine wurde, befanden sich die Krim und die Gebiete Donezk und Luhansk bereits seit 2014 unter russischer Besatzung, die in Minsk 2014 und 2015 ausgehandelten Waffenstillstandsabkommen waren gescheitert.

Schon in seiner Antrittsrede erklärte er Friedensbemühungen zur obersten Priorität –und dank französischer und deutscher Vermittlung gelang Ende 2019 ein Gipfeltreffen Selenskyjs mit Russlands Präsident Wladimir Putin im Élysée-Palast. Doch es blieb bei Worten: Statt Frieden folgte am 24. Februar 2022 Russlands groß angelegte Invasion der Ukraine. Selenskyj war dennoch bereit weiterzuverhandeln –aber es gelang ihm nicht einmal, Putin telefonisch zu erreichen. Die noch in den ersten Kriegswochen diskutierten Kompromisslösungen waren vom Tisch, als im Frühjahr 2022 die russischen Massaker in Butscha und Irpin bekannt wurden. Seitdem besteht Selenskyj auf seinem Zehn-Punkte-Friedensplan, den er vor der Uno und beim Weltwirtschaftsforum in Davos vorgestellt hat. Darin fordert die Ukraine die Wiederherstellung des Status quo ante 2014 als Bedingung für jegliche Waf-fenstillstandsgespräche mit Russland. Demnach soll Putin seine Truppen vom völkerrechtlich anerkannten Territorium der Ukraine abziehen und die Rückkehr der annektierten Gebiete –inklusive der Krim –an die Ukraine akzeptieren.

Kompletter Rückzug der Russen

Freiheitskampf Ukraines Präsident Selenskyj will die Souveränität seines Landes bewahren

In einem 2021 veröffentlichten Essay lieferte Putin die ideologische Grundlage für den Einmarsch in der Ukraine.

Der russische Präsident, der den Zerfall der Sowjetunion 1991 für die größte geopolitische Katastrophe des 20. Jahrhunderts hält, spricht darin der Ukraine das Existenzrecht als unabhängige Nation ab. Das mittelalterliche Reich der Kiewer Rus sei, so Putin, die Wiege des russischen Staates und der Beweis, dass Russen und Ukrainer als ein Volk zusammengehörten. Nach dieser Logik komme Russland den Brüdern in der Ukraine zu Hilfe, denn eine vom Westen unterstützte Nazi-Regierung in Kiew verübe an ihnen einen Genozid –so erklärte es Putin in seiner Fernsehansprache am Morgen des Kriegsbeginns. Seitdem fordern seine Propagandisten, zuletzt etwa der frühere Präsident Dmitri Medwedew, die Ukraine zurück nach Großrussland zu holen, den Widerstand notfalls mittels eines Atomschlages zu brechen und lediglich rund um Lwiw einen Rumpfstaat unter einer Marionettenregierung zu dulden. Was Putin freilich unterschlägt: dass der Kreml mehrfach die Souveränität der Ukraine und die Unverletzbarkeit der Grenzen anerkannt hat –etwa 1994 mit dem Budapester Memorandum, im Gegenzug für den Verzicht der Ukraine

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