Einer gegen alle

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Nach sechs Monaten Krieg ist Benjamin Netanjahu international isoliert. Steuert Israels Premier jetzt um?

In Trümmern Nach dem Rückzug der israelischen Armee aus Chan Junis kehren Bewohner in die zerstörte Stadt zurück
Foto: AFP

Benjamin Netanjahu wirkt nervös. „Mensch, was soll diese Distanz, sind Sie verrückt?“ Er solle näherkommen, weist er den Mann an, der den Teleprompter bedient. In wenigen Minuten möchte der israelische Regierungschef in diesem Raum eine Pressekonferenz abhalten, vorher will er die vorbereitete Rede noch ein letztes Mal proben. Je länger der Krieg dauert, desto wichtiger ist Netanjahu jedes Detail. Früher mag er mit seiner Autorität alles überstrahlt haben. Heute werden ihm selbst Kleinigkeiten angekreidet.

„Macht die Türe zu“, fordert er von seinen Mitarbeitern, „und schaltet sofort die Klimaanlage ab!“ Dann erkundigt er sich nach dem Sound und übt seinen Vortrag.

Das Video, in dem der nervöse Netanjahu übt und übt, wurde offenbar versehentlich an den TV-Sender Channel 13 übertragen, der die Szenen prompt ausstrahlte. Sie zeigen einen Regierungschef unter Druck.

Nicht nur im Ausland wird die Kritik an ihm schärfer. Auch in Israel wächst der Widerstand, wird das brachiale Vorgehen der Armee im Gazastreifen als überzogen eingestuft. Ist die massive Zerstörung tatsächlich die beste Option, um die mehr als 100 israelischen Geiseln, die sich noch immer in der Gewalt der Hamas befinden, möglichst bald zu befreien? Oder will sich Netanjahu dadurch vor allem mehr Zeit verschaffen, bis ihm eine andere Lösung einfällt? Tatsache ist: Israels Regierungschef verspielt gerade Sympathien im großen Stil und provoziert selbst engste Verbündete, die angesichts der humanitären Katastrophe im Gazastreifen an ihm verzweifeln.

Beziehungskrise US-Präsident Joe Biden und Israels Premier Benjamin Netanjahu
Foto: imago images

Erst seitdem die israelische Armee Anfang April versehentlich einen Hilfskonvoi von World Central Kitchen beschoss und dabei sieben Mitarbeiter der Organisation tötete, scheint sich etwas zu bewegen. Bis auf ein kleines Kontingent zog sich die Armee aus dem Gazastreifen zurück, vorigen Montag wurden zudem Erfolge bei den Verhandlungen mit der Hamas um die Befreiung der Geiseln verkündet. Beugt sich Netanjahu also dem internationalen Druck oder will er ihm nur ausweichen?

Ramponiertes Image

Auch in der israelischen Bevölkerung schwindet sein Rückhalt. Fast drei Viertel fordern laut Umfragen den Rücktritt des Regierungschefs, die Hälfte des Landes möchte noch in diesem Jahr Neuwahlen. Zehntausende gehen mittlerweile einmal pro Woche gegen Netanjahu auf die Straße. Und die Zahl der Demonstranten wächst immer weiter.

Denn Israels Langzeitpremier hat das Land in eine Krise geführt, die es um Jahre zurückwirft. Zwar hat die Hamas den Krie

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