Vertreibung aus dem Paradies

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Drama um Ostdeutschlands berühmtesten Campingplatz. Wie ein Minister und ein Betreiber um Macht und Millionen streiten

Sehnsuchtsort Prerow Naturschutz und Tourismus, passt das zusammen?
Fotos: Jonas Berndt für FOCUS-Magazin, dpa

Eine Düne so weiß wie aus dem Reisekatalog. Der Sand, so fein, dass man damit Vanillekipferl pudern könnte. Und dann der Himmel. Azurblau. „Das ist mein Sehnsuchtsort“, schwärmt Constance Rademacher, 50. Die Krankenschwester zieht die Schuhe aus und gräbt ihre Zehen in den Sand.

Prerow auf der Halbinsel Fischland-Darß-Zingst. 78 600 Hektar wilde Natur, einer der größten deutschen Nationalparks. Paradiesisch gelegen an der Ostseeküste in Mecklenburg-Vorpommern. Und in der Mitte: ein Campingplatz in den Dünen. 900 Wohnwagen, 900 Vorzelte, 900 Grillplätze. Ein Dorf im Sand. Früher der karibische Traum Ostdeutschlands. Jetzt ist zusammengewachsen, was zusammengehört. Ost oder West, das spielt keine Rolle. Die Dauercamper kommen aus ganz Deutschland.

Doch der Sehnsuchtsort ist in Gefahr. Es geht ums Geld, um Macht und Eitelkeiten, um Lügenvorwürfe oder wie es eine Boulevardzeitung in der Schlagzeile nannte: „Schmutz-Schlacht um schönsten Ostsee-Campingplatz“.

Mittendrin im Getümmel: Betreiber Rüdiger Voßhall, Gründer und Mehrheitsaktionär der Regenbogen AG. Ein Unternehmer aus Kiel, der die FKK-Idylle 1990 bei einem Segeltörn entdeckt hatte. Es ist seine Cashcow. Er hat Millionen damit verdient. Aber jetzt ist er sauer. Richtig sauer. Und das letzte Paradies der DDR ist zum Schauplatz eines Dramas geworden.

Jahrelang störte es niemanden, dass sich Camper in den Dünen häuslich eingerichtet hatten. Es sind Menschen, die sich an die Regeln hielten. Zäune aus Bambus, Terrassenplatten aus Holz, keine Pflanzen rausreißen, nichts platttrampeln. Naturschutz First.

Aber 2022 reichte das plötzlich nicht mehr. Die landeseigene Stiftung für Umwelt und Naturschutz erwarb das Dünengelände. 73 von 1200 Dauercampern wurde gekündigt. 227 weitere sollten folgen. Die Weißdüne müsse „renaturiert“ werden. So sieht es ein „Managementplan“ vor, den ein Berliner Biologe verfasste. Den Auftrag für die Prüfung erhielt er vom Nationalparkamt Vorpommern.

Fotos belegen jedoch, dass sich in dem Gebiet bereits eine zweite Düne gebildet hatte. Das liegt an der Küsten-Dynamik, die den Nationalpark auszeichnet. Das Land wird an der Westküste ab- und in Prerow angespült.

Dauercamper Peer Globisch, 64, sah darin eine Chance, die Kündigung auszuhebeln. Er ist ein Kind der DDR, war gerade mal 17, als er hier zum ersten Mal gecampt hat: „Mein Herz hängt an diesem Platz.“

Der Finanzmakler aus Berlin wühlte sich durch Gesetze und Aktenberge. Er nahm Kontakt mit dem Biologen auf. Laut Globisch habe der Experte durchblicken lassen, dass eine Räumung des Areals gar nicht nötig sei

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