Exzess und Massendebakel

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KATE UND DIE ÖFFENTLICHKEIT

Als sogar das Gerücht aufkam, sie sei nicht mehr am Leben, gab Prinzessin Kate ihre Krebsdiagnose bekannt. Über echtes Leid und die Macht der virtuellen Sabotage

Selbst das englische Boulevardblatt „The Sun“ fand, dass sich die Leute jetzt mal schämen sollten: „Schande über euch.“

Gemeint waren alle, die Prinzessin Kate mit Spekulationen und Häme im Internet zusetzten, seit sie sich nach Weihnachten aus der Öffentlichkeit zurückgezogen hatte. Die Zeitung, die sich ansonsten hemmungslos in die royalen Dramen wühlt, ermahnte diejenigen, die sich hemmungslos in royale Dramen wühlen. Schwer zu sagen, wo die Entrüstung aufhörte und die Heuchelei begann.

Auslöser für die publizistische Verrenkung war das Video, in dem die Prinzessin von Wales vorigen Freitag ihre Krebsdiagnose öffentlich gemacht hatte. In Jeans und weitem Streifenpulli saß sie auf einer Parkbank. Ihr Haar und ihr Make-up waren wie üblich makellos. Doch ihr magerer Körper und das eingefallene Gesicht verwiesen auf den „riesigen Schock“, den der Befund in ihr ausgelöst hatte.

Schockierend wirkten auch die Verschwörungsmythen, die sich millionenfach in den sozialen Medien verbreitet hatten. Nach dem Video jedoch war die Betroffenheit so groß wie vorher die Lust an Spekulationen. Manche räumten nun reumütig ein, auch sie hätten über die Prinzessin gewitzelt, und entschuldigten sich dafür. Die meisten aber suchten die Schuld bei anderen, die ihrer Meinung nach noch absurdere Theorien in die Welt setzten.

Anarchie und Sensationsgier

Die Royals sind seit Jahrhunderten Gegenstand und Opfer von Gerüchten und Sensationsgier. Doch die Tabloids, die berüchtigten britischen Revolverblätter, haben Verleger und Chefredakteure. Man kann mit ihnen Deals machen, kann an ihre Vernunft appellieren oder sie verklagen. Die Zeitungen und ihre News-Portale sind in ihrem Wesen noch immer Institutionen einer übersichtlichen Medienepoche, die inzwischen der Vergangenheit angehört.

Der Fall Kate zeigt, wie mächtig der gesichtslose Cybermob geworden ist. Und wie seine in der Anarchie des Netzes geborenen und von Algorithmen gepushten Vermutungen auch die sturmgeprüfte britische Monarchie erschüttern und sogar terrorisieren können. Verschwörungsmythen haben die künftige Königin womöglich zu einem Bekenntnis getrieben, das sie niemals gemacht hätte – oder zumindest nicht auf diese Art.

Allerdings trugen auch die ungeschickt bis inkompetent agierenden Pressestrategen der königlichen Familie zur Eskalation bei. König Charles hatte seine Prostatakrebsdiagnose früh und transparent kommuniziert. Bei Kate blieben lange viele Leerstellen im Narrativ.

Am 17. Januar hatte der Palast mitgeteilt, sie sei am Vortag wegen einer geplanten Bauchoperation ins Krankenhaus eingeliefert worden. Vor Ostern werde sie keine Termine mehr w

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