„Die AfD ist ein wesentlicher Grund, warum so viele Juden Angst haben“

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Die Stimmung ist gereizt, nicht erst seit dem Überfall der Hamas auf Israel im Oktober 2023. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, spricht über den Alltag von Juden, ihre Ängste und das Versagen von Claudia Roth

Foto: privat

München Mitte März. Auf einmal ist der Frühling da. Aus dem Gemeindezentrum der Israelitischen Kultusgemeinde in der Altstadt ist jetzt fröhliches Geschrei zu hören. Dieser Kindergarten war der Gemeindepräsidentin Charlotte Knobloch besonders wichtig, als das Haus im Jahr 2007 öffnete. Vielleicht weil sie selbst eine besonders schreckliche Kindheit erlebt hat.

Charlotte Knobloch kam drei Monate vor der Machtergreifung Adolf Hitlers zur Welt. Ihr Vater Fritz Neuland, ein jüdischer Anwalt aus München, überlebte den Nationalsozialismus als Zwangsarbeiter. Schon 1936 verließ Charlottes Mutter, die für die Ehe mit Fritz zum Judentum konvertiert war, ihre Tochter und ihren Mann – sie hielt den gesellschaftlichen Druck nicht aus. Ihr Leben verdankt Charlotte einer Frau namens Kreszentia Hummel. Nach der Deportation ihrer Großmutter 1942 brachte Fritz seine Tochter zu Hummel, einer ehemaligen Hausangestellten seines Bruders.

Kindheit auf dem Bauernhof Weil eine unverheiratete Bauerstochter in Mittelfranken Charlotte Knobloch als ihr uneheliches Kind ausgab, überlebte sie das Nazi-Regime

Die unverheiratete Katholikin lebte in Mittelfranken auf dem Bauernhof ihrer Eltern und gab Charlotte als ihr uneheliches Kind aus, was damals als Schande galt. Hummel wurde Jahre nach ihrem Tod für ihren Mut mit dem Ehrentitel „Gerechte unter den Völkern“ ausgezeichnet. Wäre herausgekommen, dass Charlotte das Kind eines Juden ist, hätte das auch Hummels Ermordung bedeutet.

Seit dem 7. Oktober hat Charlotte Knobloch Angst

Charlottes Vater Fritz Neuland war einer der wenigen Überlebenden, die 1945 die Israelitische Kultusgemeinde wiedergründeten, deren Präsidentin Charlotte seit 1985 ist. Das Jüdische Zentrum München, bestehend aus der Hauptsynagoge Ohel Jakob, dem städtischen Jüdischen Museum und dem Gemeindezentrum, gäbe es ohne Knobloch nicht. Von 2006 bis 2010 war Knobloch auch Präsidentin des Zentralrats der Juden. Die Mutter von drei Kindern und Oma von sieben Enkeln wird von Personenschützern streng bewacht. Dass jüdisches Leben in Deutschland noch immer keine Normalität ist, wusste sie immer. Aber seit dem Massaker der Hamas an über 1200 Israelis im Oktober, hat Knobloch Angst. Der Massenmord an Juden im Nahen Osten war zugleich auch in Deutschland der Beginn einer antiisraelischen und in weiten Teilen auch antisemitischen Protestwelle. So schlimm wie jetzt, sei es noch nie gewesen, sagt Knobloch im Gespräch mit FOCUS.

Charlotte Knobloch: Die

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