Warten auf die große Wende

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WACHSTUM

Vor einem Jahr versprach Olaf Scholz ein grünes Wirtschaftswunder. Was wurde daraus?

Wachstumsmotor 1960 VW-Käfer-Produktion in Wolfsburg
Fotos: akg-images, Janine Schmitz/dpa

Wenn den Kanzler aktuell etwas nervt, dann ist es vor allem die miserable Stimmung in der deutschen Wirtschaft. Anfang März erst mahnte er wieder mehr Optimismus an. Es war auf der Handwerksmesse in München. Tapfer hörten die Präsidenten der einflussreichsten Wirtschaftsverbände Olaf Scholz zu, der warnte, dass „ganz viele Lobbyisten und Politik-Unternehmer die Stimmung im Land verschlechtern“.

Man brauche sich die Lage ja nicht schönreden. Aber ein bisschen mehr Zuversicht dürfe es schon sein, befand der Kanzler. Es ist nicht das erste Mal, dass Scholz den Aufschwung geradezu herbeizureden versucht.

Genau ein Jahr ist es her, als er zwischen einer Klausurtagung in Meseberg und einem Bürgergespräch in der Stadthalle von Cottbus der Neuen Berliner Redaktionsgesellschaft ein Interview gab, das vor allem gute Laune verbreiten sollte neben Wärmepumpen-Geschrei, Krieg und Inflation. Scholz seinerzeit im O-Ton: „Wegen der hohen Investitionen in den Klimaschutz wird Deutschland für einige Zeit Wachstumsraten erzielen können wie zuletzt in den 1950er und 1960er Jahren.“

Das war Verheißung und Versprechen zugleich. Schnell wurde daraus ein neues – nunmehr gar grünes – Wirtschaftswunder, das an die 50er und 60er Jahre erinnern sollte.

Damals explodierte die deutsche Wirtschaft geradezu vor neu entfesselter Kraft. In den 1950er Jahren lagen die Wachstumsraten im Schnitt bei über acht Prozent, im darauffolgenden Jahrzehnt noch immer bei gut der Hälfte.

Der Grund des damaligen Aufstiegs: „Der Krieg hatte viel an Infrastruktur und Kapitalstock zerstört, die Produktion war am Boden“, erklärt der Volkswirtschaftsprofessor und ehemalige Wirtschaftsweise Volker Wieland. „Das musste erst wieder aufgebaut werden“ – und befeuerte

12,1 Prozent Wachstum hat die deutsche Wirtschaft noch 1955 geschafft eine bis heute einzigartige Erfolgsgeschichte.

Das könne nun wieder passieren, in der Goldgräberzeit neuer nachhaltiger Energie rund um Wasserstoff, Windparks und Solarfelder, suggerierte Scholz. Ein Jahr später scheint nun aber klar: Es wird wohl nichts oder dauert zumindest sehr viel länger.

Selbst die neuen Industrien kommen nämlich nicht voran. Die Solarfirmen drohen wieder einmal von chinesischer Billigkonkurrenz überrollt zu werden. Windkraft-Konzerne wie Siemens Energy schreiben hohe Verluste. Und auch die traditionelle Wirtschaft leidet.

Mitte Februar hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck die offizielle Prognose der Bundesregierung drastisch gekappt. Statt der zuvor erwarteten 1,3 Prozent werde man wohl nur noch 0,2 Prozent Wachstum erleben. Der Grüne lapidar: „Das ist dramatisch schlecht.“

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