Was ist heute konservativ, Herr Lammert?

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DEUTSCHLAND

Über 50 Jahre lang ist Norbert Lammert schon politisch aktiv. So besorgt wie jetzt war der Chef der Adenauer-Stiftung noch nie. Ein Gespräch über alte Fehler und neue Gewissheiten

Vordenker Seit sechs Jahren ist Norbert Lammert Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung
FOTO VON JONAS HOLTHAUS

Die Nachbarschaft hat sich kaum verändert, im neuen Büro: Siegessäule, Kanzleramt, Bundestag. Alles in Reichweite. Nur die Perspektive ist eine andere: Zwölf Jahre lang amtierte Norbert Lammert als Bundestagspräsident. Nun ist er der Mann für die langen Linien, als Vorsitzender der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Und doch: Wer nachfragt, der bekommt auch mit, wie er auf seine Nachfolger in der CDU blickt. Pointiert, humorvoll, spitz. Typisch Lammert eben.

Herr Lammert, die CDU berät aktuell ihr Grundsatzprogramm. Vielleicht dürfen wir Sie bitten, behilflich zu sein. Was bedeutet denn für Sie Konservativismus?

Konservativismus ist mehr eine Einstellung oder eine Haltung als ein konkretes Programm. Eine Einstellung, die sich auf unterschiedliche, jeweils konkrete Situationen oder Verhältnisse bezieht.

Wie war Ihr Weg zum Konservatismus?

Woher wissen Sie, dass ich konservativ bin?

Sind Sie es nicht?

Doch. Auch. Ich könnte anhand meiner eigenen Biografie verdeutlichen, was mein Verständnis von Konservativismus ausmacht. Es geht immer um den sorgfältigen und zugleich aufgeschlossenen Umgang mit wechselnden Herausforderungen. Konservativismus ist nicht der Kampf gegen den Fortschritt. Wer konservativ ist, der bemüht sich darum, Fortschritt möglich und zumutbar zu machen. Unter den Bedingungen demokratischer Meinungsbildung bedeutet das, ihn mehrheitsfähig zu machen. Deswegen gilt für mich: Die Einstellung zu Fragen und Entwicklungen verändert sich im Laufe der Zeit, weil sich auch Verhältnisse und Bedürfnisse verändern.

Wie kann konservative Politik mit den vielen Krisen unserer Zeit umgehen?

Mit reinen Bekenntnissen dafür oder dagegen ist es jedenfalls nicht getan. Und schon gar nicht mit dem Versuch, Veränderungen zu blockieren. Konservative wissen, dass Veränderungen unvermeidlich sind. Aber sie haben hoffentlich eine Sensibilität für die Bedingungen, unter denen Fortschritt machbar ist. Nicht verhindern, sondern gestalten – das muss das Markenzeichen eines modernen Konservativen sein.

Erfüllt das neue Grundsatzprogramm der CDU diese Erwartungen?

Ich denke schon. Jedenfalls ist es für mich ein beachtlicher Versuch, diesem Anspruch gerecht zu werden. Ich kann im Entwurf des Grundsatzprogramms keine Stelle finden, an der die CDU den Versuch unternimmt, sich prinzipiell einer Herausforderung zu verweigern oder sich gegen eine Veränderung zu sperren.

Haben Sie ein Beispiel?

Klimawandel, Transfo

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