„Ist nicht mein Stil, alles abzugreifen“

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Ein Finanzprofi rechnet ab: Der frühere Deutsche-Bank-Chef Joe Ackermann verteidigt seine alten 25-Prozent-Renditen und beklagt eine neue Das-steht-mir-zu-Mentalität

Mann der Extreme Für die einen war Joe Ackermann, 76, ein Weltretter, für andere ein Feindbild
FOTOS VON GERRY NITSCH

A ls er noch die Deutsche Bank anführte, war Joe Ackermann der vielleicht mächtigste Banker Europas – und bisweilen der umstrittenste. Vorher hatte er schon in seiner Schweizer Heimat bei der mittlerweile abgewickelten Credit Suisse Karriere gemacht. Bis 2012 erlebte er dann von Frankfurt aus zehn Jahre lang alle großen Finanzkrisen. Der Job danach als Verwaltungsratschef der Zurich Insurance Group endete mit einer Tragödie. 2019 gab er auch den Aufsichtsrats-Chefposten bei der Bank of Cyprus ab. Danach war endlich Zeit, die Höhen und Tiefen seines Lebens aufzuschreiben. Kurz bevor das Buch nun erscheint, traf FOCUS ihn in Zürich – ohne Bankgeheimnis, aber mit vielen Insiderinformationen.

Herr Ackermann, von Amerikas Immobilienmarkt erreichen uns die ersten Schockwellen. Die jüngsten Börsenrekorde erinnern an die Übertreibungen 2007. Droht uns eine neue Finanzkrise wie damals?

Man sollte nie behaupten, dass wir aufgrund all unserer Erfahrungen mit solchen Auswüchsen vor neuen absolut geschützt wären. Es kann immer was passieren. Aber obwohl wir aktuell jede Menge politische Brandherde haben – Nahost, Ukraine, Taiwan –, bleiben die Börsen weitgehend unbeeindruckt. Ein gutes Zeichen. Es zeigt, dass all die Kriege und Konflikte zumindest nicht jene Faktoren treffen, die letztlich für die Börsen relevant sind.

Können Sie uns ein Beispiel nennen?

Würde etwa der Konflikt im Gazastreifen stärker den Energiesektor treffen, hätten wir eine ganz andere Situation.

Zynisch formuliert: Die Hamas bedroht die Weltmärkte weniger als ein paar Huthi-Raketen im Roten Meer?

Leider ist das so. Selbst der Krieg in der Ukraine ist für die Weltwirtschaft nicht sonderlich gravierend, auch wenn er natürlich unglaubliches Elend schafft.

Die Inflation macht Ihnen keine Sorge mehr?

Nach den Zinssteigerungen haben wir die Geldentwertung einigermaßen unter Kontrolle. Bei der Kerninflation – also ohne die Sondereffekte bei Energie und Lebensmitteln – liegen wir aber noch immer weit über den Zielgrößen. Trotzdem erwarte ich nicht, dass die Zinsen weiter steigen, was für die Märkte gefährlich werden könnte. Übrigens lag auch die Dotcom-Krise Anfang des Jahrtausends völlig anders als die zuletzt erlebten Aktienabstürze von Apple, Amazon und anderen.

Wieso?

Damals hatten wir es mit unzähligen jungen Firmen zu tun, die ihr Geschäftsmodell erst unter Beweis stellen mussten und dann prompt kaputtgingen. Wenn jetzt Tech-Riesen mal ein paar Proze

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