Home oder Office?

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Von Deutscher Bank über SAP bis Apple: Immer mehr Unternehmen holen ihre Beschäftigten zurück ins Büro – oft gegen deren Willen. Ist der Homeoffice-Boom also schon wieder vorbei? Einblicke in einen besonderen Kulturkampf

ILLUSTRATION VON ALBERT TERCERO

Um 8.55 Uhr klingelt sein Wecker. Das reicht locker, um sich kurz im Bett aufzusetzen und den Laptop vom Nachtisch zu ziehen. 9 Uhr: pünktlicher Arbeitsbeginn. Er schreibt eine Nachricht in den Chat mit den Kollegen – jeder soll wissen, dass er schon produktiv ist. Danach ist erst mal Zeit fürs Frühstück. Ja, er würde sogar zugeben, den Tag etwas unmotiviert begonnen zu haben. Aber das ändert sich jetzt: Spülmaschine einräumen, Staub saugen, eine weitere E-Mail beantworten. Huch, schon 11.30 Uhr! Bald Mittagessen. So also sieht er aus – der Albtraum vieler Personalchefs und Manager.

Faul, unkreativ, ohne emotionale Bindung zur Firma ist Mensch in Heimarbeit. Zumindest fürchten immer mehr Chefs, dass sich die Arbeit von zu Hause negativ auf ihre Beschäftigten und deren Produktivität auswirkt.

So sagte etwa Meta-Gründer Mark Zuckerberg, Menschen seien im Homeoffice schlicht „nicht effizient“. Auch Tesla-Chef Elon Musk hat sich im vergangenen Jahr vehement gegen Remote-Arbeit ausgesprochen. Er hält die Arbeit von zu Hause für „moralisch falsch“. Musk ging sogar so weit, Beschäftigten mit Kündigung zu drohen, sollten sie nicht zurück ins Büro kommen. Sie könnten ja woanders so tun, als würden sie arbeiten, schrieb er auf seinem Kurznachrichtendienst X höhnisch.

Hierzulande traut sich kaum jemand, so deutlich zu werden. Einzig Wolfgang Grupp vom Textilunternehmen Trigema schlägt ähnlich harte Töne an. Er polarisierte im vergangenen Herbst mit der Aussage: „Wenn einer von zu Hause arbeiten kann, ist er unwichtig.“ Bei ihm könnten sie sich dann sofort arbeitslos melden, weil sowieso keiner merke, ob sie arbeiten würden oder nicht. Harsche Worte. Doch auch wenn es sonst niemand ausspricht, Grupp scheint mittlerweile viele Gleichgesinnte gefunden zu haben.

Das Albtraumszenario des Chefs Angestellte, die untätig zu Hause rumdaddeln – das ist die Sorge mancher Führungskräfte. Die Studienlage zur Produktivität im Homeoffice ist uneindeutig. Letztlich liegt jeder Einzelfall anders

SAP, VW, Deutsche Bank: Seit Monaten trudeln Woche für Woche die immer gleichen Meldungen von großen Unternehmen ein, die ihre Homeoffice-Regelungen verschärfen. Bei einer Umfrage des Beratungsunternehmens KPMG gaben 68 Prozent der deutschen Firmenchefs an, ihre Angestellten sollten innerhalb der nächsten drei Jahre wieder Vollzeit ins Büro zurückkehren. Woher kommt dieser kollektive Kurswechsel, nachdem man sich doch zuletzt in jedem Sinne des Wortes nett eingerichtet hat mit dem Phänomen Remote Work, also Arbeit von zu Hause oder unterwegs?

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