»Im Homeoffice drohen wir zu verwahrlosen, zu vereinsamen und zu verblöden«

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CONTRA – Thomas Tuma, FOCUS-Chefautor

Als ich vor drei Jahren bei FOCUS in Berlin anfing, war gerade Corona. Sie können sich vorstellen, dass selbst ein Neujahrsmorgen auf Fischland-Darß-Zingst ein Feuerwerk quirliger Lebensfreude wäre im Vergleich zu den Office-Klötzen am Potsdamer Platz im Frühjahr 2021. Wochenlang saß ich in zugigen Großraumbüros und verwaiste vor mich hin.

Aus der Not der Pandemie wurden damals ja teils komische Tugenden abgeleitet. Zum Beispiel die Illusion, dass „Homeschooling“ was ganz Tolles sei. Später zeigten Untersuchungen, dass zumindest Kinder aus weniger begütertem Elternhaus mindestens ein Jahr Bildung verloren hatten. Was sagt das über den zweiten Faktor, der seither noch frenetischer gefeiert wird: das Homeoffice?

Ich will hier eigentlich eher den Sinn für eine Rückkehr ins Büro schärfen, als das Homeoffice madigzumachen, das mir als Option ja durchaus persönlich entgegenkommt: Zu Hause zu arbeiten fördert den eigenen Komfort, liefert Ruhe, und das nervige Gewusel ist weit weg. Aber ein bisschen Kritik erlauben Sie mir doch. Etwa: Homeoffice fördert den eigenen Komfort, liefert Ruhe, und das nervige Gewusel ist weit weg. Sie sehen: Alles hat seine Licht- und Schattenseiten. Und Heimarbeit bedeutet leider auch: Wir laufen Gefahr zu verwahrlosen, zu vereinsamen und zu verblöden.

Gürtelhöhe abwärts geht’s inzwischen sehr casual zu, was ein anderes Wort für „verlottert“ ist. Selbst in der Öffentlichkeit regiert eine schlurchige Multifunktionsästhetik, die Bequemlichkeit mit Eleganz verwechselt. Auch Rülpsen erleichtert ja vieles und ist trotzdem keine Kommunikation.

Büro gibt uns einen Rahmen, auch der Selbstdisziplin. Wir lernen dort nicht nur Gesprächstechniken, sondern sogar potenzielle Lebensabschnittsgefährten kennen. Jede vierte Beziehung beginnt in der Firma. Es geht dort um gelebtes Miteinander und um zwischenmenschliche Diplomatie. Man übt Akzeptanz, statt sich immer gleich in eigene Echoräume hineinzuempören. Homeoffice ist dagegen die kleinste anzunehmende Filterblase.

Es geht um Kreativität, nicht Kontrolle

Abgesehen davon habe ich noch nie gehört, dass Zoom-Konferenzen ein Hort überbordender Kreativität sein sollen. Man kann damit den Status quo verwalten. Aber jeder Kaffee mit Kollegen liefert mehr Ideen als ein Jahr nonstop Kachelngucken vorm Bildschirm.

Echte Zusammenarbeit sei nur im Büro möglich, ließ schon vor über zehn Jahren die damalige Yahoo-Chefin Marissa Mayer verkünden – und beorderte ihre Silicon-Valley-Nerds wieder ins Büro. Nun machen es ihr andere Konzernchefs nach wie etwa Christian Klein von SAP oder Christian Sewing bei der Deutschen Bank, wo ab Juni wieder schärfere

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