Im Griff der Mullahs

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Iran wählt ein neues Parlament, aber eine Wahl hat die Bevölkerung nicht. Sie kann sich nur für eine Fortsetzung des Unterdrücker-Regimes entscheiden, das mächtiger denn je wirkt. Dank neuer Freunde und alter Feinde profitieren die Mullahs vom Gazakrieg wie niemand sonst. Sie erschüttern den Nahen Osten – und lehren den Westen das Fürchten

Religionsstunde Soldaten der iranischen Luftwaffe und der Luftverteidigungsstreitkräfte salutieren vor Ajatollah Ali Chamenei bei einem Empfang in Teheran
Foto: Getty Images
Hassparolen Bei der Feier zum 45. Jahrestag der Islamischen Revolution im Februar entlud sich die Wut auf den Westen wegen Israels Kampf gegen die Hamas

Endlich kann Roxana wieder sie selbst sein, zumindest ein bisschen. Wenn sich die iranische Soziologiestudentin dieser Tage auf Teherans Straßen zeigt, verzichtet sie auf ihr Kopftuch. Ein Verstoß gegen die Vorschriften der Islamischen Republik, den die Sittenpolizei normalerweise umgehend ahndet. Aber in diesem Februar ist alles anders. „So stelle ich mir ein freies Leben vor“, sagt Roxana. Ihren Nachnamen will sie aus Furcht vor Repression dennoch nicht preisgeben. Denn das schiitische Regime ist nicht aus Nächstenliebe kulant beim verordneten Dresscode. Es handelt aus reinem Kalkül.

Das hat mit der Parlamentswahl am 1. März zu tun. Obwohl der Religionsführer Ajatollah Ali Chamenei seit Wochen eine rege Beteiligung anmahnt, hält sich das Interesse der Bevölkerung in engen Grenzen. Laut einer Studie des Forschungsinstituts Gamaan, das die Stimmung in der iranischen Bevölkerung erfragt, wollen überhaupt nur 15 Prozent abstimmen. Ein schockierender Wert für die Staatsführung, schließlich konterkariert er deren Behauptung, sie regiere im Auftrag des Volkes. „Das wäre für die Machthaber eine PR-Katastrophe“, sagt Raz Zimmt, Iran-Experte am Institute for National Security Studies in Tel Aviv. „Sogar bei einer Wahlbeteiligung von 30 Prozent hätte das Regime ein Legitimationsproblem.“ Um mehr Menschen an die Urnen zu locken, dürfen Frauen nun sogar unverschleiert ihre Stimme abgeben.

Klubmitglied In Johannesburg wurde Iran vorigen Sommer als neuer BRICS-Staat gefeiert

Wahrscheinlich reicht das trotzdem nicht. Zu tief sitzt der Groll, zu groß ist die Resignation in der Gesellschaft. Zu viele Träume sind zerplatzt, seitdem die Menschen nach dem gewaltsamen Tod von Mahsa Amini vor anderthalb Jahren gegen die Regierung protestierten. Die junge Frau starb nach der Festnahme durch die Sittenpolizei. Angeblich hatte sie ihr Kopftuch nicht ordnungsgemäß getragen. Aus Entsetzen wurde Wut gegen die Autokratie. Zu Tausenden gingen Frauen auf die Straße und schnitten öffentlich ihre Haare ab. Tausende Männer schlossen sich ihrem Kampf für Freiheit an.

Die Welt solidarisierte sich mit den Dem

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