„Das Land brodelt wie ein Vulkan“

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Sie kämpft seit Jahren gegen die Mullahs und für Menschenrechte. Die iranische Friedensnobelpreisträgerin Shirin Ebadi über die Wut der Jugend, die enttäuschende deutsche Außenpolitik und das Ende der Islamischen Republik

Die heute 76-jährige Shirin Ebadi studierte Rechtswissenschaften in Teheran 2003 und wurde die erste Richterin in Irans Geschichte. Das Amt verlor sie nach der Islamischen Revolution 1979 und musste zunächst als Sekretärin an jenem Gerichtshof arbeiten, den sie zuvor geleitet hatte.

Als Anwältin vertrat sie später Dissidenten gegen das Mullah-Regime und setzte sich für Menschen- und Frauenrechte ein. Sie forderte Gleichberechtigung und pluralistische Demokratie und kritisierte die Auslegung der Scharia durch die neuen Machthaber. So protestierte sie etwa gegen die Steinigungsstrafe, die sie einen Missbrauch der Religion nannte. Wegen ihres Engagements wurde sie festgenommen, angeklagt, zu Einzelhaft verurteilt – und erst auf internationalen Druck begnadigt. Als erste muslimische Frau erhielt sie den Friedensnobelpreis – und setzte ein weiteres Zeichen, indem sie zur Verleihung ohne Kopftuch erschien.

Seit 2009 lebt sie im Exil in London. Ihre Kanzlei in Teheran hat das Regime geschlossen. Die Mitarbeiter ihrer Organisation werden verfolgt, viele wurden verhaftet, darunter Narges Mohammadi, die Friedensnobelpreisträgerin des Jahres 2023, die seit vielen Jahren in Haft ist.

Ein persönliches Treffen mit Shirin Ebadi lehnt ihr Büro ab und besteht stattdessen auf einem Interview per Videocall – wegen Sicherheitsbedenken. Die iranischen Herrscher gehen derzeit auch außerhalb des Landes verstärkt gegen Kritiker vor. Ebadi wirkt dennoch gelassen, sie spricht auf Farsi, gibt knappe, präzise Antworten, strahlt die Würde einer Grande Dame des Widerstandes aus. Dass sie sich von den Drohungen und Komplotten der Mullahs nicht einschüchtern lässt, stellt sie seit einem halben Jahrhundert unter Beweis. Auch mit diesem Gespräch.

Foto: Suzanne Plunkett/Reuters

Frau Ebadi, die britischen Sicherheitsbehörden wissen von 15 geplanten Attentaten auf Sie, allein in den vergangenen zwei Jahren, hinter denen das iranische Regime stecken soll. Die Machthaber nehmen offenbar verstärkt auch regimekritische Journalisten und Aktivisten im Ausland ins Visier. Wie gefährlich ist die Lage für Sie?

Eine Bedrohung meiner Person besteht ja schon lange. Gerade hier in London sind die Agenten und Handlanger der Islamischen Republik sehr aktiv. Nun: Die Polizei kommt zweimal im Jahr zu mir und überprüft meinen Computer und mein Telefon, um sicherzustellen, dass ich nicht gehackt wurde. Die Beamten sagen, die Gefahrenlage sei für mich nicht größer geworden – allerdings stehe ich ja auf ihrer Liste der gefährdeten Personen seit Jahren schon weit oben. Ich solle also immer vorsichtig sein. Doch eigentlich will ich gar nicht s

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