Wenn aus Politik Hass wird, wird aus Liebe Mut

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RUSSLAND

Der Tod Alexej Nawalnys erschüttert die Welt. Seine Frau will den Kampf gegen Diktator Putin fortführen

Für ein anderes Russland Moskau, September 2013. Erst wollte Alexej Nawalny Bürgermeister der Hauptstadt werden, dann forderte er Putin direkt heraus. Immer an seiner Seite: Julija Nawalnaja
Foto: EPA/Sergei Ilnitsky
Tod eines Helden I Auch in der russischen Stadt Kasan trauern viele öffentlich um Nawalny
Aufruf einer Kämpferin Ihre bewegende Rede an die Welt veröffentlichte Julija Nawalnaja am Montag
Fotos: Polaris/laif, Pavel Golovkin/dpa, Moscow City Court via AP

„Ich bitte Euch, die Wut mit mir zu teilen“

In einer Videobotschaft ruft Julija Nawalnaja die Russen auf, den Kampf ihres Mannes Alexej gegen Wladimir Putin mit ihr gemeinsam fortzuführen. Lesen Sie hier ihren bewegenden Appell

Hallo, hier ist Julija Nawalnaja. Heute wende ich mich zum ersten Mal auf diesem Kanal an Euch. Aber ich sollte nicht hier sein, nicht auf diesem Platz. Ich sollte auch dieses Video nicht aufzeichnen. Auf meinem Platz sollte jemand anderes sitzen, aber diesen Menschen hat Wladimir Putin umgebracht. Vor drei Tagen hat Wladimir Putin meinen Ehemann Alexej Nawalny getötet. Putin hat den Vater meiner Kinder ermordet, Putin hat mir das Teuerste genommen, das ich hatte, den Menschen, der mir am nächsten stand und der mir der liebste war – aber Putin hat Nawalny auch Euch genommen.

Irgendwo in einem Lager im äußersten Osten, am Polarkreis, im ewigen Winter hat Putin nicht nur den Menschen Alexej Nawalny getötet. Mit ihm wollte er zugleich auch unsere Hoffnungen vernichten, unsere Freiheit, unsere Zukunft. Und alle Beweise dafür, dass Russland ein anderes Land werden kann, dass wir stark und mutig sind, verzweifelt an etwas glauben, für unsere Überzeugungen kämpfen und dass wir anders leben wollen.

All diese Jahre war ich an der Seite von Alexej: bei Wahlen, Protesten, Verhaftungen zu Hause, Durchsuchungen, in Gefängnissen, als er vergiftet wurde. Und dann wieder bei Protesten, Verhaftungen und im Gefängnis. Unser letztes Treffen war Mitte Februar 2022, unser letztes Foto. Genau zwei Jahre später hat Putin ihn getötet.

All diese Jahre war ich an der Seite von Alexej. Ich war glücklich, bei ihm zu sein und ihn unterstützen zu können.

Heute jedoch möchte ich an Eurer Seite sein, weil ich weiß, dass Ihr nicht weniger als ich verloren habt. Alexej ist im Lager nach drei Jahren voller Qualen und Folter gestorben. Er hat nicht gesessen wie die anderen. Man hat ihn gefoltert, im Karzer gehalten, in einem Käfig aus Beton. Stellt Euch vor: einen Raum von sechs oder sieben Quadratmetern, nichts darin außer einem Hocker, Waschbecken, Löchern im Boden anstelle einer Toilette und einem Bett, das an der Wand befestigt ist, sodass man sich nicht darauflegen kann. Eine Tasse, ein Buch – ein

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