Warum Russland Nawalny tötete

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RUSSLAND

Selbst hinter Gittern war der Oppositionspolitiker und Regimegegner eine Bedrohung für den Diktator im Kreml. Heute weiß man: Die Hoffnung vieler Russen starb in Sibirien

Verhaftung Nach seiner Rückkehr aus Deutschland wird Nawalny im Schnellverfahren verurteilt
Genesung Nawalny im Kreis seiner Familie, die ihn im September 2020 in der Berliner Charité besucht
Fotos: Alexander Nemenov/AFP, Daria Nawalny/privat/Instagram/dpa, Sergey Fadeichev/TASS/ action press, AP Photo/Alexander Zemlianichenko, Leonardo Cendamo/Getty Images

Alexej Nawalny kehrte im Januar 2021 nach Russland zurück. Kurz bevor er das Flugzeug bestieg, stellte er einen Film mit dem Titel „Ein Palast für Putin“ auf YouTube. Das fast zweistündige Video ist eine Meisterleistung investigativer Berichterstattung. Anhand von geheimen Plänen, Drohnenaufnahmen, 3D-Visualisierungen und Aussagen von beteiligten Bauarbeitern erzählte Nawalny in seinem Video die Geschichte einer 1,3 Milliarden Dollar teuren Villa am Schwarzen Meer, die jeden Luxus bietet, den sich ein Diktator vorstellen kann: eine Shishabar, ein Eishockeyfeld, einen Hubschrauberlandeplatz, einen Weinberg, eine Austernfarm und eine Kapelle. Das Video beschreibt auch die sagenhaften Kosten und die finanziellen Tricks, die beim Bau des Palastes im Namen seines wahren Besitzers angewandt wurden. Der heißt nämlich Wladimir Putin.

Aber die besondere Stärke des Films lag nicht nur in den Bildern oder in der Beschreibung des ausgegebenen Geldes. Die Stärke lag im Stil, im Humor und in der Professionalität des Werks auf Hollywood-Niveau. Diese hat ihm Nawalny zum großen Teil selbst verliehen. Das war sein außergewöhnliches Talent: Er konnte die trockenen Fakten der Kleptokratie unterhaltsam aufbereiten – die Zahlen und Statistiken, in denen sich normalerweise selbst die besten Finanzjournalisten verheddern. Auf dem Bildschirm war er ein ganz normaler Russe, mal zeigte er sich schockiert über das Ausmaß der Bestechung, mal spottete er über den schlechten Geschmack. Auf andere gewöhnliche Russen wirkte er authentisch, denn er erzählte Geschichten, die für ihr Leben relevant waren: Ihr habt schlechte Straßen und eine schlechte Gesundheitsversorgung, sagte er den Russen, weil sie Eishockeyfelder und Shishabars haben.

Und die Russen hörten ihm zu. Eine Umfrage, die einen Monat nach Erscheinen des Videos in Russland durchgeführt wurde, ergab, dass jeder vierte Russe das Video gesehen hatte. Weitere 40 Prozent hatten davon gehört. Man kann davon ausgehen, dass diese Zahlen inzwischen weiter gestiegen sind. Bis heute wurde das Video 129 Millionen Mal angesehen.

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