Der Wackelkandidat

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DEUTSCHLAND

Die Liberalen verdanken Christian Lindner, dass sie eine Wiederauferstehung erlebten. Nun steuert die FDP mit ihm auf den Abgrund zu. Über ein Drama in der Politik

Leidensgenossen Finanzminister Christian Lindner mit Kabinettskollegen Robert Habeck (l.) und Kanzler Olaf Scholz
Foto: Liesa Johanssen/Reuters

Eine Begegnung neulich mit Christian Lindner: Der FDP-Chef hat beide Hände zur Faust geballt. Es geht um die Schuldenbremse und um die Frage, ob er angesichts absehbarer zusätzlicher Milliardenausgaben in diesem Jahr schon den Zeitpunkt kommen sieht, von seiner Position abrücken zu müssen. Er will keine Schulden über das hinaus, was die Schuldenbremse ermöglicht. Damit steht er im Ampelbündnis mit seiner FDP ziemlich allein da.

Er ballt also die Fäuste und sagt, es amüsiere ihn, wie sich alle ständig fragten, wann „endlich, endlich, endlich“ die FDP einknicke. Und jedes Mal, wenn er das Wort endlich ausspricht, sausen seine Fäuste durch die Luft. Lindner denkt nicht daran, einzuknicken. Wenn es daran Zweifel geben sollte, hofft er wohl, sie mit den Fäusten zertrümmern zu können.

Ein Schicksalsjahr hat für die FDP begonnen, das weiß keiner so gut wie Christian Lindner. Der 45-Jährige war es, der die FDP nach 2013 aus der Bedeutungslosigkeit zurückgeführt hat. Die Koalition mit der Union in den vier Jahren zuvor war ihr so schlecht bekommen, dass sie aus dem Bundestag geflogen war. Lindner hat die Partei wieder aufgerichtet. Er weiß, wie sich Untergang anfühlt.

Gerade ist es wieder so: Endzeitstimmung hat sich in der Ampel breitgemacht: Ist es ausgerechnet Christian Lindner, der die Partei nun geradewegs in den Abgrund führt? Wird unter seiner Führung zerstört, was er mühsam aufgebaut hat? Auf großer Bühne spielt sich ein politisches Drama ab.

In keiner anderen Partei der Koalition ist die Macht bei nur einer einzelnen Person so konzentriert wie in Lindners FDP. Er erlaubte sich 2017 nach der Bundestagswahl ein Jamaikabündnis mit Union und Grünen auszuschlagen, weil er damals meinte, es sei besser für die FDP, nicht anstatt falsch zu regieren. Geschadet hatte es der Partei schlussendlich nicht: Aus der Wahl 2021 ging sie mit 11,4 Prozent sogar leicht gestärkt hervor. Und dann, endlich, krönte Lindner seine Vorsitzzeit, indem er die FDP wieder an die Regierung führte, in die Ampel.

Nur, seit dem Start geht es mit der FDP bergab. Sie hat Wahlen in den Ländern verloren und in Umfragen längst die Todeszone erreicht, jenen Bereich unter fünf Prozent also, in dem einer bundespolitischen Kraft der Sauerstoff ausgeht.

Es vergeht kaum noch eine Woche, in der die Partner nicht gegenseitig im Streit aufeinander losgehen. Lieferkettengesetz, die Bezahlkarte für Asylbewerber, das ganz große Streitthema Haushalt. Woher sollen die Milliarden für die Regierungsprojekte herk

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