Wir müssen auf eigenen Beinen stehen

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Der ehemalige Verteidigungsminister Rudolf Scharping appelliert angesichts der Trump’schen Drohung für Investitionen in eine umfangreiche europäische Sicherheit

Woche für Woche demonstrieren Menschen, für ein friedliches Miteinander, für unsere Demokratie. Mehr als 2,5 Millionen Menschen waren es bisher. Und es engagieren sich immer mehr, zunehmend auch in Betrieben oder im Netz. Im 75. Jahr unserer Verfassung ist das ein starkes Signal lebendigen Bürgertums.

„Ich war noch nie demonstrieren …“ – das hört man oft. Zunehmend mehr Bürgerinnen und Bürger ändern lange gepflegte Routinen. Ändern sich auch die Routinen der Politik? Ich fürchte: nein. Man muss sich nur vor Augen halten: Regierungserklärung und Debatte am 27. Februar 2022 im Deutschen Bundestag, drei Tage nach dem Beginn des Angriffskrieges Russlands auf die Ukraine; die Generaldebatte zum Haushalt 2024 knapp zwei Jahre später – der Rückfall in veraltete Muster ist offenkundig; er setzt sich fort, leider.

Wenn drei Parteien mit so unterschiedlichen Sichtweisen auf Gesellschaft und Wirtschaft eine Regierung bilden, dann sind Konflikte vorprogrammiert. Aber es bestand (und besteht noch) die Chance, vor allem die Verpflichtung, diese Sichtweisen in einen konstruktiven Austausch zu bringen; einen Diskurs zu ermöglichen, der Ergebnisse herbeiführt und begründet; der Orientierung anbietet und Gemeinsinn festigt. Dieser Verpflichtung wird man, höflich gesagt, nicht gerecht. Statt leidenschaftlich in der Sache zu streiten, statt dicke Bretter zu bohren, werden Haltungsnoten verteilt.

Das ist unangemessen. Gegenwärtig können wir, Europäer und mittendrin wir Deutsche, unsere Sicherheit nicht angemessen gewährleisten – also unsere Freiheit nicht verteidigen. Dass es dazu auch gemeinsamer militärischer Fähigkeiten bedarf, wurde ebenso oft in Reden beschworen wie im politischen Alltag vernachlässigt. Nun führen der Wahlkämpfer Donald Trump, die Mehrheit im US-Repräsentantenhaus und frühere Spitzenleute der Trump-Administration uns Europäern drastisch vor Augen: Wir müssen entschieden schnell auf eigene Beine kommen. Wir könnten sonst Objekt eines „Deals“ werden. Wir mögen hoffen: Es kommt nicht so schlimm. Bauen darf verantwortliche Politik darauf nicht.

Eine Zukunft in Frieden und Freiheit, gesichert durch Politik und Diplomatie, durch Stärke unserer innovativen, wirtschaftlichen und auch militärischen Fähigkeiten, eingebettet in das Bündnis und doch auf eigenen Beinen stehend – nur das sichert uns und gewährleistet Europas globale Relevanz. Zwar sinkt der relative Anteil Europas an der Weltwirtschaft oder an der Weltbevölkerung und sicher sind die 500 Jahre europäischer geprägter, globaler Entwicklungen (im Guten wie im Fürchterlichen) vorbei. Wir können und müssen un

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