„Wollen wir ein zweites Nordkorea werden?“

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Ex-Spitzendiplomat Wolfgang Ischinger über die Trümmer der europäischen Sicherheitsarchitektur, unverantwortliche Trump-Sprüche und warum EU-Atomraketen keine seriöse Option sind

Die Münchner Sicherheitskonferenz am vergangenen Wochenende hat in höchst angespannter Weltlage stattgefunden. Waren die Ergebnisse Ihrer Meinung nach angemessen? Was war anders als sonst?

Unser Team wollte das Spektrum völlig zu Recht stärker für Themen des Globalen Südens öffnen. Aber das wurde schwierig, weil die Ereignisse der vergangenen Tage die Konferenz beherrscht haben – Nawalnys Tod und die Äußerungen von Donald Trump zur Nato. Die Jubiläumskonferenz hat gezeigt: Wir stehen strategisch leider fast wieder da, wo wir vor 60 Jahren waren. Damals, im Kalten Krieg, ging es um ein einziges Thema: Wie können wir die Sowjetunion abschrecken, Berlin oder Westeuropa anzugreifen. Dann haben wir 50 Jahre lang an einer europäischen Sicherheitsarchitektur gebaut. Und jetzt beschäftigen wir uns wieder mit derselben Grundfrage: Wie wir das heutige, revisionistische Russland davon abhalten, einen Nachbarn, nämlich die Ukraine, zu unterwerfen und die europäische Entwicklung der letzten Jahrzehnte rückabzuwickeln. Es geht erneut um eine geostrategische, militärische Machtfrage. Im Übrigen ist der Optimismus des Vorjahres hinsichtlich der Fähigkeiten der Ukraine einer realistischeren Betrachtung gewichen. Es setzt sich allmählich die Erkenntnis durch, dass dies ein langer Krieg wird. Es gibt für Wladimir Putin keinen Anreiz, ihn zu beenden, es sei denn, durch die Unterwerfung der Ukraine. Und das wäre dann erst der Anfang!

Europa hat sich vor allem mit sich selber beschäftigt. Es ging vor allem um die eigene Sicherheit und Verteidigung …

Ja, und dass dazu nicht nur gehört, wie viel Mann oder wie viele Flugzeuge wir haben, sondern auch die industrielle Basis, wie viel wir überhaupt produzieren können.

Das Thema ist nicht gerade neu. Schon vor Jahren war in Sicherheitskreisen von „Pooling und Sharing“ die Rede, also um die Frage, wie Europas Streitkräfte Stärken bündeln und teilen können.

Stimmt. Vor sieben Jahren hat eine Studie der Sicherheitskonferenz gesagt, wir könnten um die 20 Milliarden Euro sparen, wenn wir gemeinsam einkaufen, warten und ausbilden und nicht zum Beispiel verschiedene nationale Fertigungsstraßen für ein und denselben Hubschrauber hätten. Der spanische oder der deutsche Pilot kann dann den britischen Hubschrauber nicht fliegen. Das ist abenteuerlich. In Friedenszeiten kann man sich vielleicht Maßgeschneidertes erlauben. Aber macht es Sinn, angesichts des Krieges einer Nuklearmacht gegen ein europäisches Land, dass sich 27 EU-Mitgliedsstaaten 27 unabhängig agierende kleine Rüstungsagenturen leisten? Die 27 europäischen Zwergstaaten benehmen sich wie die Duodezfürs

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