Operation Walküre

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Nach zwei Jahren Krieg fehlen der Ukraine Soldaten – doch Frauen mobilisiert sie nicht. Die nehmen ihre Ausbildung selbst in die Hand und melden sich freiwillig an die Front

Allzeit bereit Im Alltag Headhunterin, am Wochenende wird sie zur Feindjägerin: Daria Trebuk (Mitte) bildet in Kiew Frauen an der Waffe aus
FOTOS VON ANTONI LALLICAN

Im Kyryliwskyj-Park in Kiew geht es zu wie in einem surrealen Film. Zwischen schneegepuderten Bäumen spazieren Passanten mit ihren Hunden, während direkt neben ihnen Schüsse fallen und Sprengstofffallen an Angelschnüren baumeln. Entlang eines Weges schleichen Männer in Militäruniformen lautlos durchs Gebüsch, ihre automatischen Waffen zielsicher nach vorne gerichtet. Wenige Schritte weiter stürmt eine Gruppe von Teenagern mit Luftgewehren das Gebäude einer verlassenen psychiatrischen Klinik. In einer Senke hacken Frauen in Tarnkleidung Holz und begießen es mit Benzin, um ein Lagerfeuer zu entfachen.

Der Park ist zu einem Militärausbildungscamp für Zivilisten geworden. „Keine Sorge: Alle Waffen, die man hier sieht, sind Attrappen“, sagt Darja Trebuk, die Leiterin der Frauengruppe. Die rothaarige Mittdreißigerin arbeitet unter der Woche als Rekrutierungsmanagerin. Doch an den Wochenenden übernimmt sie eine ganz andere Rolle: Vor einem Jahr gründete sie den Verein „Walküren“, der Frauen im Umgang mit Waffen schult. Seitdem wurden mehr als tausend Kämpferinnen ausgebildet.

„Dieses Programm haben wir nach den Massakern von Butscha und Irpin entwickelt. Wir wollen den Frauen beibringen, wie sie sich im Falle einer erneuten Besatzung ihrer Städte durch die Russen verteidigen können“, erklärt Darja, während sie eine Tasche voller Maschinengewehre aus dem Kofferraum eines Autos zieht. Einige der Frauen, sagt Darja, kämen zum Training, um zu lernen, was zu tun ist, wenn die feindlichen Truppen zurückkommen sollten. Andere fänden es bedenklich, dass derzeit unter den Zivilisten so viele Waffen im Umlauf sind – sie wollen bei Bedrohung reagieren können. „Doch gut die Hälfte der Frauen, die die Ausbildung bei uns absolvieren, bereitet sich auf den Eintritt in die Armee vor.“

Neun Gestalten tauchen derweil in einiger Entfernung auf und nähern sich langsam auf dem vereisten Parkpfad. In Jogginghosen, mit bunten Mützen und mit Schaumstoffmatten unter dem Arm erinnern die Frauen eher an eine Gruppe von Yogaschülerinnen als an angehende Soldatinnen.

Doch nur ein paar Minuten später knien sie im Schnee und zerlegen flott ihre Kalaschnikows mit von der Kälte geröteten Fingern. Eine halbe Stunde lang inspizieren sie die Waffen. Dann ist das Einüben der richtigen Schießhaltung dran. Nächster Punkt: Granatenwerfen.

Sie lächeln kaum. Jede dieser Frauen, die zwischen fünfundzwanzig und vierzig Jahre alt sind, ist sich bewusst, dass die Platzpatronen vom Kyryliws

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