Im Gegenwind

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Kohle und Atomkraft – das war jahrzehntelang das lukrative Geschäft des Energiekonzerns RWE. Vorstandschef Markus Krebber hat die grüne Transformation bis 2030 versprochen. Ausgerechnet Berlin und Brüssel bremsen ihn

Raue Winde Offshore-Strom, wie RWE ihn vom Windpark Kaskasi aus der Nordsee geliefert bekommt, wird für den Essener Konzern immer wichtiger
Foto: Paul Langrock/RWE

Es war eine wahrlich große Beerdigung. Und viele Hunderte von Schaulustigen begleiteten den Abschied von dem riesigen Kühlturm, der hier 35 Jahre lang jenen Dampf kanalisierte, der entstand, wo Steinkohle zu Energie wurde. Nun hatte dieser verwitterte Gigant endgültig ausgedient.

Im niederrheinischen Voerde verschwindet in diesen Monaten eines von etlichen Kohlekraftwerken im Land – und damit auch ein Stück der Unternehmensgeschichte von RWE. Braun- und Steinkohle sowie Atomkraft – darauf beruhte jahrzehntelang der Erfolg des Essener Energiekonzerns. Bald soll das Geschäft mit der fossilen Energie enden. RWE hat sich geradezu radikal einem neuen Ökostrom-Kurs verschrieben, mit dem der Konzern wachsen möchte.

55 Milliarden Euro will RWE bis 2030 in erneuerbare Energien investieren. Wind und Solar, neue Speichertechnologien und Wasserstoffprojekte, das grüne Portfolio soll sich von 35 auf 65 Gigawatt fast verdoppeln, deutlich mehr, als die Atomkraft jemals leistete. Aber: Das Unternehmen darf sich dabei auch nicht zu Tode transformieren. Erst Gewinne finanzieren den Umbau.

Der Atomausstieg ist vollendet, das Kohlegeschäft wird durch den steigenden CO₂-Preis bald unrentabel. Die grüne Energie verspricht Wachstum – und den größten Profit. Doch ausgerechnet die Bürokratie in Brüssel und Berlin macht es RWE-Chef Markus Krebber schwer: Genehmigungen gehen zu schleppend voran, ein Gesamtplan fehlt – nicht nur ihm.

Diese Woche haben mehr als 70 europäische Unternehmen in Antwerpen eine Deklaration verabschiedet, die von der EU eine schnelle Steigerung ihrer Wettbewerbsfähigkeit fordert. Der „Green Deal“ müsse durch einen „Industrial Deal“ ergänzt werden. „Es besteht ein dringender Bedarf an Klarheit, Berechenbarkeit und Vertrauen in Europa und seine Industriepolitik“, heißt es in der Erklärung.

Dabei will etwa RWE-Chef Krebber nichts anderes als das von Kanzler Olaf Scholz versprochene „grüne Wirtschaftswunder“ befeuern und wahr werden lassen. Mit dem Ausbau soll der bereinigte RWE-Gewinn um 14 Prozent pro Jahr steigen, 2030 wären neun Milliarden erreicht. „Wir müssen neu bauen, bevor wir alte Technologien abschalten können“, erklärt Krebber dann in seiner Essener Vorstandsetage.

Man kann sich fragen, ob Krebbers Plan aufgehen kann. Wenn er in wenigen Wochen seine Bilanz für 2023 präsentiert, kann er jedenfalls gute Laune haben. 4,3 Milliarden Euro betrug der Nettogewinn 2023 nach vorläufigen Zahl

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